Aus den Feuilletons

Das Universum verstehen

Der gelähmte britische Astrophysiker Stephen Hawking hat am 26.04.2007 einen Ausflug in die Schwerelosigkeit unternommen. Der an den Folgen der Muskelschwäche ALS leidende Hawking erlebte nach Medienberichten das Abenteuer an Bord einer modifizierten Boeing 727. Der Wissenschaftler wirkt bei seinem Flug in der ausgepolsterten Kabine völlig gelöst und glücklich. Der mehr als einstündige Flug startete auf der Shuttle-Landebahn am Kennedy-Raumfahrtzentrum der NASA in Florida. Die Parabelflüge fanden über dem Atlantik statt. Foto: Zero Gravity Corporation +++(c) dpa - Report+++Fotograf:DB gozerog
Der britische Physiker Stephen Hawking bei seinem Parabelflug. Am Mittwoch ist er mit 76 Jahren gestorben. © picture alliance/dpa/DB gozerog
Von Ulrike Timm · 14.03.2018
Im Nachruf zu Stephen Hawking erkennen "FAZ" und "taz" die Bedeutung von Zeit für den genialen Denker. Außerdem auf der Agenda der Feuilletons: Warum Kunstfälschung nicht unbedingt strafbar sein muss und wie langsames Lesen zur Kunst wird.
"Mal mal Malewitsch" schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, und so schwierig kann ja ein schwarzes Quadrat eigentlich nicht sein. Das denkt sich womöglich der Laie, der die Gedanken dahinter bei seinem Zweitversuch weder mitmalen noch mitdenken muss. "Mal mal Malewitsch" dachte sich aber auch eine hochprofessionell organisierte Fälscherbande, die sich auch noch an Kandinsky, Jawlensky, kurzum, an allem, was in der russischen Avantgarde Rang und Namen hat, versuchte – so erfolgreich versuchte, dass die SZ gleich die Rechnung dazu mitteilt:
"Wären all die Werke echt, sie hätten einen Gesamtwert von 750 Millionen Euro gehabt."

Ein Prozess mit überrraschender Sachlage

Sammler, Kunstsachverständige, Museen haben die Fälscher hinters Licht geführt, jetzt soll im Prozess gegen sie das Urteil gesprochen werden, und das wird nach Meinung von Catrin Lorch sehr mild ausfallen. Der Nachweis, dass Verkäufer von Kunst nicht nach bestem Gewissen handeln, ist nämlich schwer zu führen.
"Und das Fälschen von Gemälden, auch wenn der Maler akribisch die Handschrift, Motive und Stil eines berühmten Künstlers kopiert, ist ohne den Versuch, das entstandene Werk als Original anzubieten, nicht strafbar."
Weil die Kunstkriminellen es entsprechend raffiniert angingen, hält die SZ es für wahrscheinlich, dass für die 1500 gefälschten Gemälde und Zeichnungen, die 2013 sichergestellt wurden, voraussichtlich nur zwei Männer zu ziemlich geringen Haftstrafen verurteilt werden.
Da male man sich doch besser dilettantisch selbst sein Malewitsch-Quadrat, weiß man doch wenigstens, woher es kommt!

Verstehen durch langsames Lesen

Aber auch das braucht Zeit, Geduld und Muße, die uns ja immer mehr abhanden kommen. Und so fordert Ulrich Greiner von der ZEIT "Lest langsamer, Genossen!". In Zeiten, wo wir unzählige Informationen aus dem Netz verschlingen, müssten wir wieder lernen, uns auf das Tempo eines Buches einzulassen.
"Schnell lesen zu können ist keine kleine Kunst. Die größere jedoch besteht darin, langsam lesen zu können. Nicht jeder schwierige Satz ist verunglückt, und nicht alles lässt sich in kurzen Hauptsätzen hinreichend sagen. In der Literatur gehören komplexe Satzgebilde, zum Beispiel bei Jean Paul oder Thomas Mann, zum erzählerischen Atem, zur ästhetischen Gestalt, und in der Philosophie sind sie oftmals die Bedingung des Erkenntnisgewinns",
heißt es in der ZEIT, und weiter als Fazit:
"Wer ein Buch bei der ersten Lektüre nicht ganz kapiert hat, sollte den unwahrscheinlichen Fall nicht ausschließen, dass es nicht am Buch liegt, sondern an ihm selber."
Geduld haben, beharrlich sein, sich Zeit nehmen, langsam lesen – sollte man sich angesichts der Hektik und auch angesichts der politischen Aufregungen, die der kommenden Leipziger Buchmesse schon jetzt anhaften, wohl einfach mal sagen.

Mit Langsamkeit zu genialen Erkenntnissen

Stephen Hawking war allein schon wegen seiner jahrzehntelangen Krankheit, der Lähmung seines Körpers und seines natürlichen Sprechens, ein überaus beharrlicher Mensch.
"Wie er selbst beschrieb, ließ ihm diese erzwungene Verlangsamung seines Alltags viel Zeit für Überlegungen, die sich in Ermangelung der Möglichkeit schneller Skizzen und Aufzeichnungen oft an eingängigen Bildern und geometrischen Überlegungen und Techniken orientierten."
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG schreibt Sibylle Anderl den Nachruf auf den genialen Physiker und Philosophen Stephen Hawking, der mit 76 Jahren verstorben ist. Populär geworden durch seine teilweise auch Laien verständlichen Gedanken über Zeit und Raum, war Hawkings Denken letztlich so hochkomplex, dass er zwar nur mit wenigen Fachleuten tatsächlich auf Augenhöhe diskutieren konnte, aber eben auch viele faszinierte und begeisterte, die ihm in die einzelnen Verästelungen seiner Theorien nicht folgen konnten.
"Unendlich", so überschreibt die TAZ ihre Würdigung des wohl berühmtesten Gelehrten unserer Zeit.
"Mein Ziel ist einfach", sagte Hawking einmal, "Es ist das komplette Verständnis des Universums, warum es ist, wie es ist und warum es überhaupt existiert."
Mehr geht nicht.
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