Aus den Feuilletons

Das große Schweigen am Theater

04:16 Minuten
Klassische Dramenfigur
Machtmissbrauch im Theater: Das Spektrum reicht von leichtem Mobbing bis zur Vergewaltigung. © picture alliance / Mary Evans Picture Library
Von Tobias Wenzel · 21.03.2021
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2000 Interviews hat Thomas Schmidt mit Beschäftigten an deutschen Theatern über Machtmissbrauch geführt. Das Ausmaß ist erschütternd, sagt Schmidt in der „Welt“: „Alle wissen es. Alle schauen schamerfüllt weg und keiner traut sich, etwas zu sagen.“
Depression, Obskurantismus, Machtmissbrauch: Erst einmal ziehen einen die Themen der Feuilletons vom Montag herunter. Aber dann ist eine befreiende Götterdämmerung in Sicht und sogar Sex mit der Natur.
"Der Körper sagt: 'Geh raus, spazieren'. Der Geist: 'Nee, hat keinen Sinn. Bleib mal schön im Bett liegen.'"
So beschreibt der Komiker Kurt Krömer im Interview mit Markus Ehrenberg vom TAGESSPIEGEL, wie er merkte, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Es folgte die Diagnose: Depression. Und eine Behandlung in einer Tagesklinik.
Kurt Krömer spricht über seine Depression
In diesem Interview spricht Krömer zum ersten Mal öffentlich über seine Krankheit. Heute gehe es ihm wieder gut, auch wenn er noch in Behandlung sei. Am 20. November sei sein letzter Tag in der Klinik gewesen:
"Ich kam raus, bin in die Stadt und hatte so eine Art Frühlingserwachen. Ich habe mir die Leute auf der Straße angeguckt und wollte die ganze Welt umarmen."
"Keine gute Idee in der Pandemie", entgegnet der Journalist.
Und Kurt Krömer antwortet: "Nee. Trotzdem dachte ich: 'He, ihr seid ja alle depressiv!'". Das nennt man wohl Tragikomik.
Es bleibt düster: "Wir erleben eine seltsame Bewegung, in der sich das Progressive ins Obskure verwandelt", schreibt Pascal Bruckner in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Das Menschengeschlecht ist verschwunden", behauptet der französische Schriftsteller und Philosoph. "Weiß, männlich, dunkel, queer – heute werden alle Personen zu Gruppen sortiert."
Indem man den weißen Mann zum "Generalsündenbock" erniedrige, so Bruckner, ersetze man die eine Form des Rassismus nur durch eine andere.

Machtmissbrauch an Theatern ist weit verbreitet

Knapp zwei Drittel aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Theater haben "Machtmissbrauch am eigenen Leibe" erfahren, berichtet Thomas Schmidt im Gespräch mit Angela Richter für DIE WELT.
Schmidt, der darüber auch schon in unserem Programm gesprochen hat, hat 2000 Interviews geführt und so einen vertraulichen, aber nicht minder erschütternden Überblick über unterschiedlichste Formen des Machtmissbrauchs an deutschen Theatern erhalten. Das Spektrum reicht von leichtem Mobbing bis zur Vergewaltigung. Auch andere Formen der Gewalt werden genannt:
"Selbst Intendantinnen und Intendanten, die Schläge androhen oder auch Schläge ausführen und deren Faust im Eifer an einer Wand zerschellt und die dann einen Gips tragen muss über Wochen. Und jeder weiß es. Alle wissen es. Alle schauen schamerfüllt weg, und keiner traut sich, etwas zu sagen."
Alle schweigen, aus Angst, den Job zu verlieren.
Thomas Schmidt schlägt deshalb unter anderem vor, Theater in Zukunft nicht mehr von einem einzigen Intendanten leiten zu lassen, der als Alleinherrscher agieren kann. Stattdessen sollte eine Führung aus mindestens drei Personen etabliert werden, inklusive Mitarbeitervertretung.
Die Zeit sei reif. Es finde gerade ein Bewusstseinswandel statt, so Schmidt in der WELT, "vielleicht sogar eine Götterdämmerung am Theater".

Vulkangelüste einer Schamanin

Was die zukünftigen Götter wohl vom neuen Trend der "Ökosexualität" halten? Sobald es wärmer werde, werde man sicher vermehrt Menschen beobachten können, die "nackt und an Heuschnupfen leidend Bäume umarmen" und "sich im Schlamm wälzen", prophezeit Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Eine ökosexuell orientierte Frau – man hat mittlerweile höchsten Respekt vor jeder Subkultur der echt öden Mehrheitsgesellschaft – die zugleich Schamanin ist, und auch das ist doch eine schöne Form der Identität, hat der Zeitschrift Wiener von richtig gutem Sex erzählt: Sie bestieg demnach auf Bali den Vulkan Agung. Direkt danach habe der Vulkan einen Ausbruch gehabt. Die Schamanin sagt: 'Dieser Ausbruch war sexuell, wenn auch eindeutig männlich.'"
Gerhard Matzigs Kommentar: "Man soll sich über die Sehnsüchte der Gegenwart nicht lustig machen. Aber manchmal fragt man sich schon, ob diese neue große Lust an der Natur noch etwas ist, was die Natur lustig findet."
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