Aus den Feuilletons

Das große Philosophieren

Undatierte Aufnahme des deutschen Philosophen Martin Heidegger (1889-1976).
Undatierte Aufnahme des deutschen Philosophen Martin Heidegger (1889-1976). © picture alliance / dpa
Von Hans von Trotha · 02.03.2015
"Wo wohnt der German Geist?", fragt die "Süddeutsche". Sie kritisiert, dass der einstige Lehrstuhl des Philosophen Martin Heidegger zur Juniorprofessur herabgestuft wird und einen neuen Namen bekommt.
Philosophie ist ja eher selten im Feuilleton. Aber manchmal schafft sie's. Der Beitrag der WELT dazu besteht darin, dass sie in großen Lettern // die // große philosophische Frage stellt und verneint: "Wir haben keine Wahl" steht über einem Text von Swantje Karich über das Phänomen, dass wir zunehmend ungefragt Zeugen von geposteten Gewaltszenen werden – Videos des IS, die Erschießung eines Obdachlosen, Prügelattacken.
"Ist es die Lust an der Gewalt an sich,die bewirkt, dass ich es mir ansehe?", fragt Karich und schreibt weiter: "Ichfühle mich aber ... eher wie Alex im Film'Clockwork Orange' von Kubrick, demdie Augen aufgesperrt werden und dergezwungen wird, brutale Filme anzusehen."
Das ist klassische Gesellschaftskritik, ein wichtiger Teil der Philosophie, den Dirk Lüddecke in der SÜDDEUTSCHEN hochhält, indem er den amerikanischen Philosophen Michael Walzer zu dessen 80. Geburtstag als einen "Gesellschaftskritiker" würdigt, "der der Gesellschaft so nah stehen will wie möglich".
Der Philosoph Markus Gabriel. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn und war damals der jüngste Philosophieprofessor Deutschlands.
Der Philosoph Markus Gabriel. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn und war damals der jüngste Philosophieprofessor Deutschlands.© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Überhaupt hat die SÜDDEUTSCHE das philosophischste Feuilleton vom Tag. Sie fragt nämlich auch: "Wo wohnt der German Geist?" Unter diesem Titel macht uns Markus Gabriel, Professor für Erkenntnistheorie, mit einem "Skandal" vertraut, der für Gabriel nicht weniger ist als ein "suizidaler Akt":
"Der Lehrstuhl Edmund Husserls und Martin Heideggers soll abgeschafft werden – zugunsten einer Juniorprofessur für Logik und sprachanalytische Philosophie."
Da wird es richtig philosophisch. In der Degradierung des Lehrstuhls zur Juniorprofessur liegt ja nur der eine Angriff, der andere steckt in der Ersetzung von Erkenntnistheorie durch Logik. Denn // Logik // hat keineswegs für alle einen ungetrübt guten Klang, nicht in der Schulphilosophie.
Der amerikanische Schauspieler und Regisseur Leonard Nimoy in der Rolle des Vulkaniers "Captain Spock"
Leonard Nimoy in der Rolle des Vulkaniers "Captain Spock".© dpa-Film, dpa picture-alliance
Sprechen wie der Vulkanier Spock
Sehr wohl aber dafür in einer Welt, von der wir wenig wissen, an die wir dieser Tage aber immer wieder erinnert wurden: nämlich bei den Vulkanieren. - "Actor's Life Reaches its Logical Conclusion" (Schauspielerleben endet mit seinem logischen Schluss)" - so hat, die WELT zitiert es, die WASHINGTON POST ihren Nachruf auf Leonard Nimoy alias Mr. Spock überschreiben. Während Georg Klein in der NZZ in einer "Hommage" vor allem auf die spitzen Ohren des Semivulkaniers abhebt – und berichtet, Nimoy habe "mit dem Gedanken gespielt, sich die Ohren von einem kosmetischen Chirurgen dauerhaft in die gewünschte Form bringen zu lassen" – beschäftigt Matthias Heine in der WELT "die kulturelle Besonderheit des Vulkaniers Spock, alle Tatsachen im Lichte der Logik zu betrachten".
Von der Logik ist es im WELT-Feuilleton dann nur eine Sternschnuppe zur Sprachphilosophie:
"Spocks Beitrag zur Sprache", heißt es da, "bestand nicht nur aus einzelnen Redensarten wie 'highly illogical' ... und 'fascinating' ... . Seine ganze Art zu sprechen hat zu einer eigenen linguistischen Kategorie geführt .... : 'Spock Speak' nennt sie die amerikanische Online-Seite 'TV Tropes'. Man kann", so der WELT-Beitrag weiter, "das mit 'Spock-Sprechweise' übersetzen oder mit 'Spock-Sprechen', in Anlehnung an die Unterscheidung des Linguisten Ferdinand de Saussure zwischen Sprache ('langue') und Sprechen ('parole')."
Schimpfwörter aus Siemensstadt
Puh – da geht allerdings schon richtig ins philosophisch Eingemachte. Ist es jetzt "Langue" oder "Parole", wenn Comedian Idil Baydar im TAZ-Interview erzählt, dass sie die Schimpfworte "Fickfehler", "Arschgeburt" und "Übertreib nicht deine Rolle" nicht in Celle, sondern in Siemensstadt gelernt hat? Und wie soll man es nennen, wenn man die Frau nicht einmal deutsche Formulare ausfüllen lässt – wegen des Hintergrunds:
"Ich musste im Jobcenter so ein Formular ausfüllen. Da wurde nach dem Migrationshintergrund gefragt. Ich dachte: Mache ich mich strafbar, wenn ich das nicht ankreuze? Voll Deutsch, ein richtiger Türke denkt nicht so. Ich kreuze das also an, und mein Berater sagt: 'Sie müssen zu einem türkischen Berater.' Und ich: 'Ich bitte Sie, Sie sehen doch, dass ich Deutsch kann. Ich versteh den doch gar nicht.' Und der: 'Ist egal.' Am Ende war ich bei so einem Kanaken, der gebrochen Deutsch sprach und sich über mein schlechtes Türkisch beschwerte."
Klingt nach einer spezifisch Berlinischen Variante gesellschaftskritisch im Alltag angewandter Sprachphilosphie. Logisch ist es jedenfalls nicht.
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