Aus den Feuilletons

Bücherherbst ohne Literaturnobelpreis?

Sitzung der Schwedischen Akademie im Jahr 2011. Dabei wurde das neue Mitglied Professor Tomas Riad vom damaligen ständigen Sekretär Peter Eglund eingeführt.
Zur Zeit nicht arbeitsfähig: Die Schwedische Akademie © picture alliance / dpa / Henrik Montgomery
Von Klaus Pokatzky · 13.04.2018
Da waren es nur noch elf: Die Nobelpreis-Akademie zerlegt sich weiter fröhlich selbst, so dass die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" um ihre Handlungsfähigkeit bangt. Und wenn es ganz schlimm kommt, droht ein Herbst ganz ohne Literaturnobelpreis.
"Humor kann unglaublich wichtig sein", sagt der einstige Diplomat Hans-Christof von Sponeck im Interview mit der Tageszeitung TAZ. "Wenn alle lachen, entspannt das die Situation." Heute gibt es hier aber wenig zu Lachen. Heute wird zurückgetreten. "Neue Rücktritte: Wie handlungsfähig ist die Schwedische Akademie jetzt noch?", fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG – nachdem zwei weitere Mitglieder ihren Stuhl in der altehrwürdigen Stockholmer Institution geräumt haben, die den Literaturnobelpreisträger bestimmt.

Finanzielle Unregelmäßigkeiten und Sexismus-Vorwürfe

"Es ist ein Beben, das eine zentrale Institution des schwedischen Kulturlebens erschüttert und die Welt der Literatur überhaupt", steht im SPIEGEL. "Im schwedischen Königreich sind die Mitglieder der Akademie so etwas wie Aristokraten", schreibt Georg Diez. Es geht um finanzielle Unregelmäßigkeiten und um Sexismus-Vorwürfe gegen den Ehemann einer der beiden Akademiemitglieder, die nun zurückgetreten sind.
Es geht um "ein unwürdiges Schauspiel", so die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, "von dem man nicht zu sagen weiss, ob es eine Tragödie oder nicht vielmehr eine Farce sei", findet Roman Bucheli. "Für so viel Dummheit braucht es wohl einen Gelehrtenzirkel", lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. "Für so viel Selbstgerechtigkeit braucht es wohl höchste akademische Weihen", meint Wieland Freund. "Der Ruf der Schwedischen Akademie und ihres Nobelpreiskomitees ist spätestens seit dieser Woche auf lange Zeit ruiniert."

Die Akademie ist nicht arbeitsfähig

Vor allem aber ist das Gremium nun gar nicht mehr arbeitsfähig, weil es nicht mehr die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedern hat. "Im Grunde hat König Carl Gustaf nur eine Option, um noch grösseren Schaden abzuwenden", findet die NEUE ZÜRCHER: "Die Verleihung muss vorübergehend ausgesetzt und die Schwedische Akademie insgesamt neu besetzt werden", schreibt Roman Bucheli zu einem möglichen Bücherherbst ohne Literaturnobelpreis.
"Aus von Anfang an spärlich gefüllten Vorstellungen flüchteten die Zuschauer zu Hunderten", heißt es in der WELT zum nächsten Rücktritt des Tages: "Chris Dercon verlässt nach nur einem halben Jahr die Berliner Volksbühne." Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist das "die Folge hochfliegender Träumereien, unklarer Finanzierungen, eines oft unfair, ja, unflätig geführten Streits darüber, was ein Theater zu sein hat". Und die TAZ zeigt Mitleid mit dem zurückgetretenen Chris Dercon "Wie er beschimpft wurde, dafür muss sich eine Stadt, die international sein will, auch schämen."

Antisemitismus am Holocaustgedenktag

Schämen können sich aber auch noch andere. "Jetzt sollen wir uns auch noch an Antisemitismus gewöhnen", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN – nachdem zwei Rapper mit antisemitischen Liedertexten den "Echo"-Preis des Bundesverbandes Musikindustrie bekommen haben. "Der Tag der diesjährigen ‚Echo‘-Verleihung war auch der Tag von ‚Yom Hashoah‘ – ein israelischer Nationalfeiertag, der ‚Tag des Gedenkens an Holocaust und Heldentum‘", erinnert der Berliner TAGESSPIEGEL. "An diesem Tag also werden in Deutschland zwei Rapper ausgezeichnet, die antisemitische Texte verbreiten", schreibt Matthias Kalle.
Da brauchen wir nun dringend etwas Schönes zum Erholen. "Heute wird die schönste Schauspielerin unter der Sonne achtzig Jahre alt", gratuliert die FRANKFURTER ALLGEMEINE Claudia Cardinale: "So schön war sie, dass man daran verzweifeln konnte", ist Simon Strauß verzückt. "So männlich-herb ist ihr Organ, noch befördert durch lebenslanges Rauchen", hebt Susanne Ostwald in der NEUEN ZÜRCHER hervor: "Die rauchige Stimme stand in starkem Kontrast zu ihrem lieblichen Äusseren."
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