Aus den Feuilletons

Buchmesse im Coronamodus

04:10 Minuten
Blick in eine Ausstellungshalle der Frankfurter Buchmesse 2019, die Gänge sind voller Menschen, die zwischen den Ständen der Verlagen laufen und diese betrachten.
Gedränge, wie sonst üblich, wird nicht erwartet, doch in Frankfurt findet die Buchmesse trotz Krise statt - ein Wagnis, findet die "FAZ". © Picture Alliance / dpa / Wolfgang Minich
Von Ulrike Timm · 28.05.2020
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Die Frankfurter Buchmesse soll stattfinden, doch die "Sonderedition" mit Coronahygieneregeln stößt in der "FAZ" auf Skepsis. Für die Aussteller und Verlage zählten nur persönliche, nicht virtuelle Begegnungen, meint Andreas Platthaus.
Die Frankfurter Buchmesse soll stattfinden, als "Sonderedition", alle Zeitungen zitieren Buchmesse-Direktor Juergen Boos, der die griffige Bezeichnung zuerst benutzte.
"Aerosole im Griff" vermeldet die TAZ und verweist auf die Belüftungsanlage in den Messehallen, denn auf solche Details kommt es in unseren Zeiten ja an. Allerdings: "Finanziell, so viel ist schon klar, wird die Frankfurter Buchmesse dieses Jahr ein Desaster werden."
Denn die exklusive Sonderedition wird wohl "ohne die bekanntesten Verlage, ohne echten Gastlandauftritt und ohne außereuropäische Aussteller" auskommen müssen, so die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Und weiter: "Natürlich fällt immer wieder das Zauberwort 'virtuell'. Aber Hand aufs Herz nach nunmehr zehn Wochen Erfahrung mit Kulturvermittlung im Netz: Wer will das?"

Was virtuelle und reale Welt unterscheidet

"Für Aussteller zählt der virtuelle Auftritt nicht", schreibt Andreas Platthaus. "Sie wollen eben die unersetzliche persönliche Begegnung, für eine Geistermesse zahlen sie nicht. Und da nun der Rücktritt vom Vertrag mit der Buchmesse nichts mehr kostet, werden nach den großen Konzernverlagen auch viele unabhängige kleinere und mittlere auf Frankfurt verzichten."
"Eine Buchmesse auf Abstand ist ein Widerspruch in sich", konstatiert Richard Kämmerlings in der WELT. Sein Kollege Platthaus von der FAZ sieht in der geplanten "Sonderedition" trotzdem auch eine Chance:
"Dass die Branche dieses Wagnis honoriert, nämlich. 'Es muss Begeisterung auslösen bei den Ausstellern', sagte die Vorsteherin des Börsenvereins, Kathrin Schmidt-Friderichs, gestern auf der virtuellen Pressekonferenz. Ob man diesen Satz als Prognose werten soll oder als Drohung, liegt im Auge des Betrachters", frotzelt die FAZ.

Pfingsten als Fest der Stunde

Wenn die WELT mit "der ansteckende Atem" titelt, meint sie kein Corona und keine Buchmessen-Aerosole, sondern greift ganz nach oben. Anna-Lisa Dieter geht es um Pfingsten und den Atem Gottes. Der kam "in Gestalt eines Brausens", Pfingsten ist das sperrigste christliche Fest, selbst wenn es – so die WELT – vor allem um Ekstase geht. Aber "der Heilige Geist ist nicht leicht konsumierbar." Die Autorin hält Pfingsten trotzdem nicht nur für zwei schöne Ferientage, sondern für das Fest der Stunde:
"Pfingsten macht uns bewusst, was uns im Lockdown am meisten fehlt. Die lebendige, freie, spontane Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Ekstase erfährt man eher nicht allein, sondern vor allem mit anderen. Rausch ist das Gegenteil von Social Distancing. Er setzt die Anwesenheit der Körper unbedingt voraus."

Erinnerung an Irm Hermann

"Gibt es eine Frau, die jemals so sein wollte wie Irm Hermann in ihren Rollen bei Rainer Werner Fassbinder? So gedemütigt, mürrisch, unterwürfig und immer bei dem falschen Mann, der falschen Frau?" fragt Verena Lueken in der FAZ in ihrem Nachruf auf die Schauspielerin, die im Alter von 77 Jahren gestorben ist.
Hermann verband mit Fassbinder eine Hassliebe, was ja heißt, so die FAZ: "Eine Liebe, auch wenn sie litt." Vor allem aber faszinierte Hermanns Stimme: "Eine Stimme, die vom Alltäglichen ohne Registerwechsel ins Hysterische gleiten konnte. Oder von der Liebenswürdigkeit ins vollkommen Boshafte."
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es über Hermann: "Bieder bis gemeingefährlich" – und das ist ein dickes Kompliment. "Hinterfotzige Komik" hätte sie ausgestrahlt. Diese Beschreibung hätte Hermann, stets damenhaft und gern etwas mürrisch dreinblickend, bestimmt gefreut. Ihr ganz besonderer Sound wird fehlen.

Gratiskultur in der Bibliothek

Wenn Ihnen über Pfingsten doch mehr nach freien Stunden als nach heiligem Brausen ist – in der TAZ freut sich Jan Jekal bei "Berlin viral" ganz kindlich doll über wieder öffnende Bibliotheken:
"Man darf sich dort stundenlang aufhalten, stöbern und schmökern und niemand erwartet, das man etwas dafür bezahlt. Und dann darf man die Sachen auch noch mit nach Hause nehmen? Absurd."
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