Aus den Feuilletons

Brexit-Jubel-Münze mit Makel

04:18 Minuten
Schatzkanzler Sajid Javid zeigt die Brexit-Münze: eine 50-Pence-Münze mit der Aufschrift "Frieden, Wohlstand und Freundschaft mit allen Nationen" und 31. Januar 2020, das Datum, an dem Großbritannien die EU verlässt.
"Peace, prosperity and friendship with all nations“ steht auf der 50-Pence-Münze zur Feier des Brexit. Fehlt hier vor dem „and“ ein Oxford-Komma? © picture alliance/Hm Treasury/PA/dpa
Von Gregor Sander · 28.01.2020
Audio herunterladen
In Großbritannien gibt es zur Feier des EU-Austritts eine offizielle Sondermünze, allerdings mit einem Kommafehler in der Prägung, wie nun einige Experten behaupten. Andere bestreiten das. So wird selbst die Jubel-Münze zum Streitobjekt, lesen wir in der "SZ".
"Die gute Nachricht zuerst: Die Quote konnte erfüllt werden. Sogar übererfüllt!", jubelt Patrick Wildermann im Berliner TAGESSPIEGEL und zitiert dabei nicht etwa einen Fünfjahresplan der seit 30 Jahren verblichenen DDR, sondern die Nominiertenliste des diesjährigen Berliner Theatertreffens. Dass Begeisterung darüber angebracht ist, unterstreicht Christine Dössel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Lediglich 11,7 Prozent der eingeladenen Arbeiten in den vergangenen 56 Festivaljahren waren von Regisseurinnen."

München ist mit drei Einladungen Meister

Wo die Quote nun also abgehakt ist, wenden sich die Feuilletons gleich lustvoll anderen Themen zu: "Was nahtlos zur alljährlich drängenden Frage überleitet, wie denn Berlin im Rennen um die zehn Siegertreppchen abgeschnitten hat?", fragt Wildermann im TAGESSPIEGEL, um sich selbst zu antworten: "Nicht schlecht." Und das nur, weil eine Inszenierung vom Deutschen Theater eingeladen ist und das HAU zweimal mit Co-Produktionen beteiligt ist.
Darüber kann Christine Dössel in der SZ nur lachen: "Nimmt man die Auswahl als Maßstab, dann ist München mit gleich drei Einladungen Bundesliga-Meister, und für die Kammerspiele, die ja tatsächlich einen guten Lauf haben, ist es eine Untermauerung des 2019-Labels 'Theater des Jahres'", schreibt sie ganz im FC-bayerischen "Mia san mia", um dann doch freundlich hinterherzuschieben: "Das Ganze ist natürlich, wie immer, anfechtbar und lässt sich größtenteils mangels Sichtung noch nicht bewerten."

"Warum lehnt Tellkamp Interviewanfragen ab?"

Eine "Viel Lärm um nichts"-Inszenierung wurde übrigens nicht nach Berlin eingeladen, aber als solche könnte man die Berichterstattung in der Tageszeitung DIE WELT bezeichnen, zum vermutlich in einem Jahr erscheinenden neuen Romans von Uwe Tellkamp. "Hat Suhrkamp ein Problem mit dem neuen Roman von Uwe Tellkamp?", heißt es in der Überschrift von Marc Reichweins Artikel, um dann im selbigen weder ein Pro noch ein Contra zu servieren.
Stattdessen wird fast vorwurfsvoll gefragt: "Warum lehnt Tellkamp Interviewanfragen der großen Medien seit Jahren ebenso konsequent wie notorisch ab?" Nun kann man von Uwe Tellkamp, seinen Büchern und seinen politischen Ansichten halten, was man will, aber wem er wann und warum Interviews gibt, sollte er doch selbst entscheiden dürfen. Und wäre es nicht ratsam, noch ein Jahr zu warten und dann einfach den Roman zu besprechen? Vielleicht klappt's dann ja auch mit dem Interview.

Wie bejubelt man den Brexit richtig?

Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung gibt es offensichtlich beim Brexit. "Auf der offiziellen Sondermünze, die den Brexit feiert, wird ein 'Oxford-Komma' vermisst", lesen wir in der SZ. "Peace, prosperity and friendship with all nations" steht auf der 50-Pence-Münze - und Johan Schloemann zitiert uns folgenden Fachmann:
"Stig Abell, Herausgeber des Times Literary Supplement, schreibt, auch wenn es 'vielleicht nicht der einzige Einwand' gegen eine Brexit-Jubel-Münze sei: 'Das Fehlen eines Kommas nach 'prosperity' macht mich völlig fertig.'" Denn dort, vor dem letzten Glied der Aufzählung, müsste es stehen, das im Englischen übliche Oxford-Komma.
Doch wie beim Brexit selbst ist das nicht so einfach: "Allerdings ist auch das Oxford-Komma seinerseits nicht unumstritten. Nicht alle Schriftkundigen sind der Auffassung, dass es am Ende einer mehrgliedrigen Aufzählung vor dem 'and' oder 'or' immer gesetzt werden muss."

Von der Leyens Kampf um saubere Sofaritzen

Während der nahende Brexit also zu noch einer Münze mehr auf der Insel geführt hat, will uns die Europäische Union ans Kleingeld, wie die TAZ berichtet, die die SZ zitiert: "EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen plant laut Süddeutscher Zeitung nichts weniger als sauberere Sofaritzen und das Ende des Münzgefummels an der Supermarktkasse. Es geht um einen 'Vorschlag für einheitliche Rundungsregeln' – und die Abschaffung von 1- und 2-Cent-Münzen im Euroraum."
Natürlich gibt es auch dazu ein Für und Wider, was wir Ihnen an dieser Stelle ersparen und die Feuilletons einfach zuklappen mit einer letzten Überschrift aus der TAZ: "Augen zu und weiter."
Mehr zum Thema