Aus den Feuilletons

Brauchen wir noch mehr Verbote?

04:13 Minuten
Auf einem Hinweis zu Maskenpflicht auf dem Bürgersteig ist das Wort "#Diktatur" geschrieben.
Noch strengere Maßnahmen bis hin zu einer Diktatur fordert der Autor Thomas Brussig. © picture alliance/Britta Pedersen
Von Tobias Wenzel · 10.02.2021
Audio herunterladen
"Mehr Diktatur wagen", fordert der Schriftsteller Thomas Brussig in der SZ zur Bewältigung der Coronakrise. Dem widerspricht in derselben Zeitung der Historiker René Schlott und listet all die Maßnahmen auf, die auch in der Demokratie möglich sind.
"Mehr Diktatur wagen", forderte der Schriftsteller Thomas Brussig mit Blick auf Corona in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Das sei wohl leider nicht satirisch, sondern ernst gemeint gewesen, reagiert nun in derselben Zeitung René Schlott. Der Zeithistoriker kann nicht nachvollziehen, inwiefern Brussig glaubt, eine Diktatur sei notwendig, um die Bevölkerung besser vor dem Virus zu schützen:
"Welche Maßnahmen fehlen Brussig neben der bereits möglichen 'zwangsweisen Absonderung von Quarantänebrechern' in geschlossenen Einrichtungen, nächtlichen Straßensperren und verdachtsunabhängigen Personenkontrollen? Die Abriegelung Thüringens nach dem Vorbild Tirols? Das Sprechverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln nach dem Vorbild Mallorcas? Die Genehmigung von Einkaufszeiten nach Antrag bei der Polizei nach dem Vorbild Griechenlands? Die Demokratie macht all dies möglich."
Aus dem Aufruf, "mehr Diktatur zu wagen", könne man ableiten, dass wir uns Brussig zufolge schon in einer Diktatur befinden, schreibt Schlott:
"Brussig gibt nicht nur in dieser Hinsicht den Verschwörungsfanatikern noch Futter und erweist der Demokratie einen Bärendienst. Denn dass wir nicht in einer Diktatur leben, beweist ja gerade das Erscheinen dieses Widerspruchs auf demselben Platz dieser Zeitung."

War Rudolf Steiner ein Nationalist und Rassist?

Auch DIE ZEIT druckt eine Replik ab. Wolfgang Müller antwortet auf einen Artikel derselben Wochenzeitung, in dem Ronald Düker suggeriert hatte, Rudolf Steiner, der Vater der Anthroposophie, sei ein Nationalist und Rassist gewesen. Für Müller war Steiner in Wirklichkeit "ein großer menschenfreundlicher Realist". Gegen den Vorwurf des Nationalismus spreche folgendes Steiner-Zitat: "Es ist einmal so beim Menschengeschlecht, dass die Menschen über die Erde hin eigentlich alle aufeinander angewiesen sind."
Bei Rudolf Steiner finde sich beides: "Einerseits ein ausgeprägter Sinn für die Bedeutung kultureller und nationaler Unterschiede, andererseits die radikale Weigerung, Menschen auf solche Kategorien festzulegen", schreibt Wolfgang Müller und fragt mit Blick auf diese Fähigkeit zur Differenzierung: "Wäre das nicht etwas, das wir heute gut brauchen könnten?"

Keine Mahlzeit oder eine vegetarische

Mit dem Differenzieren hat es der türkische Staatspräsident nicht so sehr, liest man aus Bülent Mumays Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE heraus. "Seid ihr Studenten oder Terroristen?", hat Recep Tayyip Erdoğan den Studenten zugerufen, die dagegen protestieren, dass der Präsident einen treuen Gefolgsmann zum Rektor der Bosporus-Universität in Istanbul gemacht hat.
In der Stadt, schreibt Mumay weiter, ließen 53 Prozent der Menschen aus "purer Not" eine Mahlzeit pro Tag ausfallen. Ein Erdoğan-freundlicher Fernsehsender habe verkündet: "Langes Fasten verlängert das Leben!"

Lautes Essen macht reich! Könnte der Titel eines TAZ-Artikels von Laila Oudray sein. Aber er lautet: "Aus Liebe zum Schmatzen". Was für Misophoniker Horror ist, nämlich das Essgeräusch anderer, gibt einigen wiederum einen Kick. Jedenfalls ist die schmatzende Völlerei schon ein Internettrend. Einige Schmatz-Youtuber seien so zu Millionären geworden, berichtet Oudray.

Kichererbsenpistolen statt Gulaschkanonen

Damit Sie, sofern Sie nicht auf Schmatzen stehen, die Bilder oder den Klang von laut essenden Youtubern wieder aus dem Kopf kriegen, zum Schluss noch schnell eine komische Betrachtung des Essens: "Deutschland hat seine Militärausgaben erhöht", schreibt Hans Zippert in seiner satirischen Kolumne für DIE WELT und sagt voraus, wofür die Bundeswehr das Geld verwendet:
"Die Verpflegung wird heutigen Bedürfnissen angepasst, die veralteten Gulaschkanonen werden durch automatische Kichererbsenpistolen ersetzt."
Mehr zum Thema