Aus den Feuilletons

Botho Strauß zum 70. Geburtstag

Szene aus dem Stück "Groß und klein" Theatre de la Ville in Paris: Botho Strauß zählt zu den meistgespielten deutschen Dramatikern der Gegenwart.
Szene aus Strauß' Stück "Groß und klein" im Theatre de la Ville in Paris.. © dpa / picture alliance / Lisa Tomasetti / Theatre De La V
Von Arno Orzessek  · 28.11.2014
Botho Strauß zählt zu den meistgespielten deutschen Dramatikern der Gegenwart. Der Schriftsteller gilt als Eigenbrötler, lebt zurückgezogen in der brandenburgischen Uckermark. Am Dienstag wird er 70. Die Feuilletons gratulieren schon mal.
"Der Geist ist sein tägliches Gemüse", titelt – gewohnt ehrfurchtsfrei und flapsig – die TAGESZEITUNG. Und zwar aus Anlass des 70. Geburtstags von Botho Strauß, dem einzelgängerischen Uckermark-Bewohner. Dass "Taz"-Autor Dirk Knipphals keine tiefe Verbeugung im Sinn hat, verrät auch die spöttische Unterzeile:
"Wie Botho Strauß zum berüchtigten Dichter wurde und sich inzwischen wieder etwas lockerer macht."
Knipphals spießt "das Verbiesterte, auch bekennend Reaktionäre" in vielen Strauß-Texten namentlich der 90er-Jahre auf. Seit dem Buch "Mikado" von 2006 jedoch und vor allem seit dem jüngst veröffentlichten Werk "Herkunft" kommt Knipphals' Strauß-Bild ins Kippeln:
"Man muss als links-alternativer Mensch vielleicht etwas die Augen zusammenkneifen, aber dann kann man vielleicht sogar so etwas wie einen konservativen Entwicklungsroman [in Strauß' Biografie] wahrnehmen: vom Exil der brüsken Gegenwartsfeindschaft hin zu einem aufgeklärten, liberalen Konservatismus, der Traditionen beschreibt und sich um Herkünfte kümmert."
Unter dem sperrig-erratischen Titel "Rumor, Narr und Frau" erzählt Thomas Oberender, der Intendant der Berliner Festspiele, in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Unlängst in Amsterdam sprach mich jemand an, der gehört hatte, dass ich einst über Strauß promovierte. 'Ich heiße Botho', stellte er sich vor. 'Meine Eltern haben 'Paare, Passanten' verschlungen.' Und da dachte ich, im Blick auf diesen jungen Mann – das ist ein schöner Gruß zum Geburtstag, und den überbringe ich gern."
Kaum nötig zu erklären, dass "Paare, Passanten" zu den berühmtesten Werken des Geburtstagskindes Botho zählt.
Die üble Praxis der US-Gerichte
Machen wir einen Sprung über den Atlantik. "Darum Ferguson" heißt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ein Artikel, der mit der Frage beginnt: "Warum Ferguson?" Patrick Bahners berichtet aus der Stadt in Missouri, wo der weiße Polizist Darren Wilson den schwarzen jugendlichen Michael Brown erschossen hat – und sich dafür nicht vor Gericht verantworten muss, was landesweit Proteste ausgelöst hat.
Indessen pflegen die Gerichte im St. Louis County, zu dem Ferguson gehört, laut Bahners eine üble Praxis: "[Sie] nutzen die Armut der schwarzen Bürger aus und vermehren sie." Und das geht im Alltag wie folgt:
"Ein Zahlungsbefehl wegen roter Ampel oder schmutziger Scheibe ist erst der Anfang. Die Schuld muss persönlich bei Gericht beglichen werden. Bei Nichterscheinen wird die nächste Gebühr fällig. Das Gericht von Ferguson tagt aber nur an drei Tagen im Monat. Bei Erscheinen oder spätestens bei Antritt der Haft, durch deren Anordnung das Erscheinen beim nächsten Termin sichergestellt werden soll, ist der prekär beschäftigte Schuldner möglicherweise seinen Job los und bei der nächsten Zahlungsaufforderung zahlungsunfähig. Ein unbezahlter Zahlungsbefehl löst bei der nächsten Polizeikontrolle wieder eine Überstellung ans Gericht aus. Und so weiter und so fort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage ..."
... urteilt "FAZ"-Autor Patrick Bahners über die heillose Zwickmühle von Ferguson.
Der IS, ein kulturelles West-Produkt?
Und nun zu einem mörderischen Lifestyle. "Wer heute als Teenager richtig provozieren will, wird nicht Punk oder Skin, sondern Salafist", behauptet die TAGESZEITUNG auf ihrer "Jugendkultur"-Seite. Und erzählt von zwei deutschen Teenies, die für die Terrororganisation Islamischer Staat als Märtyrer sterben wollten.
Warum indessen der Islamismus und zumal der IS für junge Menschen im Westen überhaupt so attraktiv werden konnte, das lässt sich Susan Vahabzadeh in der SZ von dem französischen Politologen Olivier Roy erklären:
"Die Integration funktioniert doch [provoziert Roy]. […] Die dritte Generation der Einwanderer nach Europa ist doch westlich. Revolution als Jugendbewegung ist typisch europäisch – die Anarchisten, der Extremismus der 20er-Jahre, die 60er: radikalisierte Jugendliche. Auch der Zulauf zu Terrororganisationen ist eine Jugendbewegung. Eine typisch westliche Matrix, das hat mit dem Islam nichts zu tun."
Junge, Junge! Der IS soll ein kulturelles West-Produkt sein? Darüber müssen wir jetzt mal ganz dringend nachdenken und sagen hier nur noch: Tschüss!
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