Aus den Feuilletons

Bambule im Blatt

Khvay Samnang, Foto- und Videokünstler aus Phnom Penh
Die Ausstellung "Die Roten Khmer und die Folgen" in Berlin scheidet die Geister - auch Khvay Samnang war daran beteiligt. © picture alliance / dpa
Von Arno Orzessek · 05.02.2015
Die "WELT" zieht außerordentlich mies gelaunt mit einer Berliner Ausstellung über die Roten Khmer ins Gericht und auch der Eröffnungsfilm der Berlinale bekommt sein Fett weg. Ethnokitsch sei das gewesen, pflichtet die "FAZ" bei. Die "SZ" ist etwas gnädiger mit "Niemand will die Nacht".
titelt tobend die genetisch anti-kommunistische Tageszeitung DIE WELT… Und zwar über die Berliner Ausstellung "Die Roten Khmer und die Folgen“.
Zunächst beschimpft Alan Posener, der sich als bekehrtes Ex-Mitglied der "maoistischen KPD“ outet, in unzartestem Bambule-Ton die Verantwortlichen:
"Was ist die Akademie der Künste in Berlin auf den Hund gekommen! Im Kalten Krieg war Werner Düttmanns 'klare, unpathetische Kiste' im Hansaviertel ein Zentrum des kulturellen Lebens der Frontstadt. Heute sitzt die Akademie in einem dummen und jetzt schon baufällige Glaspalast am Pariser Platz und hat sich von ihrem Präsidenten Klaus Staeck reduzieren lassen auf einen Interessenverband der Kunstsubventionsempfänger.“
Von den Roten Khmer an den Nordpol
Auch zur Roten Khmer-Sache selbst fällt Alan Posener kein erlesenes Meisterstück in Differenzierung ein. Aber immerhin: Er wischt sich ein bisschen Schaum vom Mund.
"Gerade heute, da man über die Grausamkeit des Islamischen Staats erschrickt und die Frage stellt, ob der Islam zu Deutschland gehört, wäre es angebracht, die Folgen einer Ideologie zu betrachten, die nicht nur so unzweifelhaft zu Deutschland gehört wie der Nationalsozialismus, sondern wie der Nationalsozialismus hier erfunden wurde. Die Roten Khmer brachten in Kambodscha den Kommunismus auf den Begriff. Und der hieß: Massenmord. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden in knapp drei Jahren getötet. Von alldem aber ist in der Ausstellung nicht die Rede.“
Mag sich nun die Akademie der Künste überlegen, ob sie auf die WELT pfeift oder nicht.
Da Berlinale ist, bleiben wir in Berlin Mitte – schicken unsere Phantasie von dort aber mit dem Eröffnungsfilm "Niemand will die Nacht“ Richtung Nordpol…
Wo sich Juliette Binoche alias Josephine und Rinko Kikuchi alias Inuitfrau Alaka inmitten der Schrecken des Eises und der Finsternis kennen, hassen und schätzen lernen.
"Das hat das Festival nicht verdient“, höhnt - wiederum ausgesucht mies gelaunt – die WELT unter dem Titel "Mrs. Pearys Gespür für Kitsch".
Keine abgründige Komplexität hinzugedichtet
Wir aber blättern die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG auf, für die der Rhetorik-Akrobat Dietmar Dath im Kino-Sessel sitzt und vergnügt beschreibt:
"'You filthy tramp!‘ spuckt Binoche angewidert die mit der Rolle des schlichten, aber charakterstarken Naturkindes behangene Rinko Kikuchi an. Die aber fletscht ihre zwar nicht einwandfrei gepflegten, dafür aber starken Zähne nicht zum Kontergrinsen der erfahrenen Jägerin, sondern hat sogar immer mal wieder ein aufmunterndes Lächeln übrig für die vollneurotische, besitzgierige, lächerlich prüde und aggressiv egozentrische Rassistin aus Washington, die in Kleidern aus gepresster Aquarellpappe, mit handgemeißelten Frisuren, knarzigen Grammophonplatten, Messer und Gabel ausgezogen ist, sich alles zu unterwerfen, was nicht so ausschaut wie daheim – und dabei grausam scheitern muss.“
FAZ-Autor Dath dichtet dem Frauen-Duell und -Duett keine abgründige Komplexität an, betont aber:
"Was bei Frauen als 'zu simpel‘ verbellt wird, gilt bei Kerlen als erhabene Schlichtheit, und genau damit nimmt es Isabel Coixet hier frontal auf. 'Niemand will die Nacht' hat fraglos Schwächen: Ethnokitsch, Lawinenzeitlupen, Schmalzmusik. Aber man hätte zur Eröffnung der Berlinale bessere Filme auswählen können, die weitaus weniger interessant gewesen wären. Zum Glück hat man das nicht getan.
Auch Susan Vahabzadeh erteilt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Coixets Polar-Streifen weiblichen Segen:
"Es gibt nicht viele Filme über Frauensolidarität – und im Kern ist 'Nobody wants the Night' genau das. Die beiden müssen alle Eifersucht, alles Buhlen um Peary hinter sich lassen. Alaka hat es schneller kapiert, Josephine versteht erst spät, dass sie ein Mann in diese lebensbedrohliche Situation hineingeritten hat und nur der bedingungslose Zusammenhalt sie retten kann“,...
...erklärt Vahabzadeh unter dem krönenden Titel "Eisköniginnen“.
Tja, zwar hätten wir Lust, noch länger zu erzählen - aber die Uhr tickt. Und deshalb endet hier, ums mit einer SZ-Überschrift zu sagen, unser "Spiel mit dem Text“.