Aus den Feuilletons

Badeanstalt Volksbühne

Von Scheinwerfern erleuchtet ist die Fassade des Theaters Die Volksbühne in Berlin
Die Volkbühne in Berlin © Picture Alliance / dpa / Manfred Krause
Von Ulrike Timm · 22.06.2016
Die "Zeit" fasst das Getöse um den zukünftigen Intendanten der Berliner Volksbühne, Chris Dercon, zusammen. Seine Gegner sehen ihn als Eishockeytrainer einer Fußballmannschaft. Dercon kontert: "Ich weiß, dass man sich in Berlin ärgert, dass ich mich nicht ärgere."
Was für ein Lärm, und: Krachmachen fruchtet! Die ZEIT widmet dem Streit um den Museumsmann Chris Dercon, der nach dem Willen des Berliner Senats in gut einem Jahr Frank Castorf nach 25 Jahren als Intendant der Berliner Volksbühne beerben soll, den Titelbeitrag und mehr als eine komplette Seite. Samt eindrucksvoller Fotomontage, die das Theater gefährlich am Kippeln und das berühmte Symbol der Volksbühne – ein rostiges Rad mit zwei Beinen dran - beim Weglaufen zeigt.
ZEIT-Autor Moritz von Uslar geht gerne in die Volksbühne, erzählt er, auch wenn er die Vorstellungen nach eigenem Bekunden in der Regel in der Pause verlässt – auch das erzählt er. Unter der Überschrift "Der arme Herr Dercon" trägt er die Debatte zusammen, die seit Wochen in den Medien schwelt.

Volksbühne als Badeanstalt?

Auffällig aber, dass die wortmächtigsten Gegner einer Volksbühne unter Museumsmann Dercon statt unter Theater-Haudegen Castorff, etwa Theater-Haudegen Peymann vom Berliner Ensemble, bislang eher selten bis nie als Fans der bisherigen Volksbühne in Erscheinung traten!
Sei's drum, die ZEIT sammelt getreulich die besten Sprüche gegen einen Arbeitsantritt des Belgiers, dessen Konzept derzeit tatsächlich eher vage ist und der bislang mehr Erfahrung mit Installationen hat als mit Inszenierungen.
"Wenn’s nicht funktioniert, kann man aus dem Haus immer noch eine Badeanstalt machen".
So tönt Frank Castorf, der legendäre, aber eben auch mächtig in die Jahre gekommene Berliner Theaterleiter, und sein früherer Dramaturg Carl Hegemann meint:
"Es ist, als würde man der deutschen Fußball-Nationalmannschaft aus Innovationsdrang einen Eishockeytrainer voranstellen."
Der Gescholtene, Chris Dercon, sagt wenig, das Wenige aber sagt er salomonisch:
"Ich weiß, dass man sich in Berlin ärgert, dass ich mich nicht ärgere."

Teure Sanierung der Berliner Staatsoper

Ärgerlich über Berlinische Ignoranz in Sachen Finanzen und über mangelndes Verantwortungsbewusstsein dortselbst ist die FAZ, und zwar mächtig. Man wird den Eindruck nicht los, dass Autorin Birgit Walter die Fehlentscheidungen, die Nichtentscheidungen und die Aneinander-Vorbei-Entscheidungen bei der Sanierung der Staatsoper genauer aufdröselt, als es die eigentlich Zuständigen je getan haben.
Jedenfalls ist jetzt schon sicher, dass der Steuerzahler mehrere Hundert Millionen Euro mehr berappen muss als vorgesehen, dass man "frühestens vier Jahre später fertig wird" als geplant, nämlich im Herbst 2017 – und dass mit der renovierten Staatsoper dann voraussichtlich niemand so recht glücklich sein wird.

Profis, Profit und Patriotismus

Und wo bleibt das Positive? Das hat es in der Tat nicht so leicht an diesem Feuilleton-Tag und erreicht uns eher auf Umwegen. Etwa in Dirk Schümers Analyse in der WELT:
"Nennt die Namen, zählt die Völker: Europas Nationalmannschaften haben die Nation längst überwunden, ein grenzenloser Spielbetrieb, in dem einzig Profis und Profit zusammengehören macht das seit langem möglich."
Und weiter:
"Insofern ist ein bodenständiger Deutscher wie Jerome Boateng, der nach seiner Auslandslehrzeit in England sein Geld beim nationalen Branchenführer in München verdient, ein Musterbeispiel an verstaubtem Patriotismus, jedenfalls wenn man ihn mit seinen Weltmeisterkollegen Kroos oder Schweinsteiger vergleicht, die in Liverpool oder Madrid beschäftigt sind".
Immerhin aber heißt es zum guten Schluss:
"Das ist das Wunder des Fußballs in unwirtlicher Zeit: Es ist ein kaltes Spiel, aber es vermag uns zu wärmen."
Die TAZ schreibt es viel bodenständiger: "Keine Bulette ohne Migration", sagt Stadtführer Tobi Allers, die original Berliner Bulette ist den Franzosen zu verdanken, sprachlich wie als Fleischklops auf dem Teller.
Und die schönste Überschrift des Tages, die finden wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, dort heißt es lakonisch:
"Halluzinieren und Scheitern im Dschungel".
Passt doch zu jedem Fiasko…
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