Aus den Feuilletons

Avanti Dilettanti

04:23 Minuten
Menschen unter Regenwolken, einer davon mit Luftballon in Sonnenform.
In Zeiten der technokratischen Vernunft und der zynischen Unvernunft bekennt sich kaum noch jemand gerne zum Dilettantismus, können wir in der "NZZ" lesen. © imago images / Ikon Images
Von Klaus Pokatzky · 05.05.2019
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Der Dilettant weiß, dass er nicht zu viel weiß und schöpft gerade daraus seine Kraft und Freiheit, wie wir in der "NZZ" lesen können. Er ist mutig und hat keine Probleme damit, Fehler zu machen. So wird er zum Gegenteil des perfektionierten Maschinenwesens.
"Der Dilettant möchte die Welt mit der Unbefangenheit des ersten Mals sehen", lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG in einer Hymne auf all die Neugierigen, die sich mit allen möglichen Themen nicht als Fachleute, sondern aus liebevoller Leidenschaft beschäftigen.
"Er ist kein Eiferer. Weil ihm dazu das Sendungsbewusstsein und jeder Dünkel fehlt", meint Roman Bucheli. "Er kultiviert souverän die Unsicherheit dessen, der die Beschränktheit seines Könnens und Wissens im Stillen ahnt."

Rolf Zuckowskis Lobgesang auf die Elbphilharmonie

Da müssen wir zwischendurch mal in die Stille eines Konzertsaales entweichen. "Anders als manche Sänger mag Rolf Zuckowski die Akustik in der Hamburger Elbphilharmonie", erfreut uns die Tageszeitung DIE WELT mit der positiven Meldung des Tages – und zitiert den Barden mit seinem Lobgesang auf die Konzerthalle an der Elbe:
"Sie hat ja den Vorteil, dass ich dort ganz allein zur Gitarre singen könnte und alle würden es hören. In dem Sinne kann man ganz leise Sachen ganz wunderbar hören."

Dilettanten von Natur aus zurückhaltender

Warme Worte, die auch gut zum Dilettanten passen würden: "Dilettanten sind von Natur aus leiser und zurückhaltender", preist noch die NEUE ZÜRCHER, "darum hört man sie auch kaum mehr in dem Geheul und Getöse der Gegenwart. Ohnehin bekennt sich in Zeiten der technokratischen Vernunft und der zynischen Unvernunft kaum noch jemand gerne zum Dilettantismus."
Und damit zum krassesten Gegenteil des leidenschaftlichen und so menschlichen Laien – zum perfektionierten digitalen Maschinenwesen. "Eine der gängigen Zukunftsängste ist jene, wonach man bald von Maschinen aus seinem Job verdrängt werden wird", steht in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.

Mit künstlicher Intelligenz in die Zukunft

"Mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Computer und smarte Roboter bedrohen nach Einschätzung von Marktforschungsunternehmen beinahe die Hälfte aller Arbeitsplätze", blickt Michael Moorstedt düster in die Zukunft. Daher lieber noch etwas dilettantische Aufmunterung. "Die Dilettanten sorgen für die Frischluftzufuhr", hebt Roman Bucheli in der NEUEN ZÜRCHER hervor: "Sie haben sich die Freiheit des ungesicherten Denkens bewahrt."
Und wie geben wir das an die ganz Kleinen weiter, die ja möglichst spielerisch erfahren sollen, "was man im normalen Leben auch lernen kann: zum Beispiel abstrakte Problemlösung, Teamwork, Kommunikation, Empathie, Frustmanagement". So beschreibt Patricia Cammarata, wie sich Computerspiele auf Kinder recht positiv auswirken können.

Moderne Kinderpädagogik

"In der echten Welt können viele Kinder ja gar nicht einfach aus dem Haus gehen, überall herumrennen und Abenteuer erleben. Ihr Radius ist eingeschränkt", erklärt die Bloggerin mit dem Schwerpunkt Kinder und digitale Medien im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Spiele bieten Kindern eine ganz andere Dimension von Freiheit und Kreativitätsentfaltung als die Realität." Da will Interviewerin Julia Bähr natürlich wissen: "Was mache ich, wenn mein Kind sich nur noch für Computerspiele interessiert?" Patricia Cammarata rät:
"Als Erstes hinterfragen, warum Sie das problematisch finden. Wenn Ihnen ein bestimmtes Spiel Sorgen bereitet, schlagen Sie dem Kind ein anderes Spiel vor – aber sagen Sie ihm nicht, es soll stattdessen Fußball spielen gehen. Wenn das Kind sich wirklich zu wenig bewegt, versuchen Sie es mit ‚Pokémon Go‘, dabei muss man draußen unterwegs sein."
Oder schenken Sie ihm ein Computerspiel, was Freude auf das Fußballspielen draußen macht. Oder ist das jetzt zu dilettantisch gedacht? "Der Dilettant gehört nicht zu jenen, die ihre Abgeklärtheit der coolen Distanz wie eine Trophäe vor sich hertragen müssen", ermuntert uns Roman Bucheli. "Er weiss, dass er neben der Spur steht."
Herzlich willkommen neben der Spur.
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