Aus den Feuilletons

Auf der Suche nach der Richtung

Auf der Suche nach der Richtung: Rechts oder Links?
Auf der Suche nach der Richtung: Rechts oder Links? © imago stock&people
Von Tobias Wenzel · 22.04.2018
"Antifa-Arbeit", "Nerdbrillen" und "Kulturrechte" - das sind Vokabeln aus den Montagsfeuilletons, und sie zeigen: Es wird über "Links" und "Rechts" gestritten. So tragen TAZ-Leser bei der Lektüre des Blattes angeblich Sturmhauben, und die Süddeutsche wartet künftig gleich mit mehreren Nachrichten-Variationen auf.
"Bezüglich Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass Ihre Betätigung im Rahmen einer als 'Journalismus' getarnten Antifaarbeit von uns als letztklassig betrachtet wird." Mit diesen Worten zitiert die TAZ einen nicht mit Namen genannten AfD-Abgeordneten. Die Zeitung hatte ihn nach Verbindungen seiner Mitarbeiter ins Milieu der Identitären und zu "extrem rechten Burschenschaften" befragt. Anstatt sachlich zu antworten, zog es der Abgeordnete vor, die Journalisten der Zeitung als linksradikal und deren Leser als Träger von "Nerdbrillen (und Sturmhauben)" zu diffamieren.
Links oder rechts? Diese Frage zieht sich überhaupt durch die Feuilletons vom Montag. Die Antworten sind durchaus überraschend:
"Wenn man Rudi Dutschke über die parlamentarische Demokratie reden hört, dann sind das Sätze, die man heute von den Neurechten in fast gleicher Formulierung findet. Die Parlamentarier hätten sich vom unmittelbaren Lebensgefühl des Volkes oder der Wähler entfernt. Die Politik sei nicht in der Lage zu sehen, welches die wirklichen Bedürfnisse der Menschen sind", versetzt sich Armin Nassehi, Soziologe und Autor eines Buchs über 1968, im Gespräch mit Hannah Lühmann von der WELT in linke und rechte Köpfe.

Inklusion als positives Erbe von 1968

Als positives Erbe von 1968 sieht Nassehi das "implizit Linke": die Inklusion. So hätten die 68er sich für Menschen aus bildungsfernen Milieus eingesetzt, um ihnen Bildung und sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Heute würden zum Beispiel Homosexuelle und auch Migranten stärker von der Gesellschaft respektiert. "Die Gesellschaft ist im Ganzen inklusiver geworden." Allerdings übertrieben es mittlerweile viele Linke mit der Political Correctness.
"Heute haben wir eine junge authentische Generation, bei der jede Mikroabweichung in der Kommunikation Unzufriedenheit produziert. Übrigens nicht nur bei Kulturlinken, sondern auch bei Kulturrechten. Zu fragen: Wenn jemand so einen Namen hat, ist der dann Deutscher? ‒ das ist ziemlich ähnlich, wie sich zu ärgern, dass jemand den sexuellen Stil nicht richtig benannt hat." Rinks und lechts! Hätte der Lyriker Ernst Jandl ausgerufen.
Michael Martens fragt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG Gerald Knaus, dessen Idee der Flüchtlingsdeal mit der Türkei war, folgendes: "Im Unterholz des Internets heißt es von ganz rechts über Sie, Sie seien ein von George Soros bezahlter Agent, der Europa mit muslimischen Migranten fluten wolle; von ganz links dagegen, Sie seien ein eiskalter Krisenprofiteur, der die Festung Europa ausbauen wolle, bis niemand mehr hineinkomme. Wollen Sie hier enthüllen, welche Version stimmt?"
Beides ist natürlich Quatsch, entnimmt man der Antwort des Mannes, der wunderbar pragmatisch auf die Flüchtlingsproblematik blickt. Das müssen Sie, liebe Hörer, allerdings selbst lesen. Denn sonst wäre hier keine Zeit mehr für ein Kuriosum aus der Links-Rechts-Welt.

Eine künstliche Intelligenz erstellt drei Nachrichtenversionen

Wie schön wäre es, wenn man aus links und rechts einfach neutral machen könnte - das haben sich wohl die Macher von "Knowhere" gedacht. Michael Moorstedt stellt die neue Internetplattform in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vor: "Eine künstliche Intelligenz, so das Versprechen, arbeite sich durch das Netz und verarbeite unterschiedliche Variationen eines Themas zu echt neutralen Texten."
Die Quellen seien die "New York Times" genauso wie das Nachrichtenportal "Breitbart". Der Leser bekomme nun immer drei Versionen vorgelegt: "Eine eher links-, eine rechtslastig und dann noch eine angeblich 'unparteiische'. Wenn man dann Artikel zu Trumps Russland-Affäre durchliest oder zu Nordkoreas Atomtests, wirken die unterschiedlichen Versionen wie vollkommen neue Geschichten." Und das automatisiert durch künstliche Intelligenz. Die Redakteure der neuen Plattform würden nur noch leicht redigieren, berichtet Michael Moorstedt: "Die Menschen kümmern sich um solche Dinge wie Grammatik und generelle Sinnhaftigkeit. Gerade in diesen Bereichen hapert es in der maschinellen Nachrichtengenerierung nämlich noch gewaltig."
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