Aus den Feuilletons

Auf dem Weg in ein neues Erdzeitalter

Der aufgerissene und ausgetrocknete Boden eines abgelassenen Fischteiches in Jänschwalde (Brandenburg) am 02.03.2014.
Der Mensch verändert den Planeten. © picture alliance / ZB / Patrick Pleul
Von Adelheid Wedel · 24.10.2014
Die Feuilletons beschwören einen Neubeginn herauf. Ob neue Epoche oder neues Erdzeitalter, der Mensch hat so intensiv auf die Natur eingewirkt, dass man nun vom Beginn des Anthropozäns sprechen kann - das Zeitalter des Menschen.
"Es fehlt der Raum für einen Dialog zwischen Feinden."
Das ist eine der Grundaussagen des Friedensforschers und Psychoanalytikers Vamik Volkan. Im Gespräch mit Klaus Englert in der Tageszeitung TAZ. Volkan beschäftigt sich mit Feindgruppen und bringt führende Vertreter dieser Gruppen zusammen. "Es ist mein Ziel,"sagt er, "Freuds Gedanken auf die sogenannten Großgruppen auszudehnen."
Schließlich gehe es darum, die Erfahrungen von Psychoanalytikern in diplomatische Prozesse einzubringen und so zu einer besseren Verständigung in der Welt beizutragen. "Vielerorts fühlen sich Muslime von westlichen Verhaltensweisen angegriffen",erklärt der Friedensforscher. "Die Probleme werden weltweit weiter anwachsen."Dialoge zwischen verfeindeten Parteien ließen sich intellektuell wunderbar durchspielen, "aber in Wirklichkeit sind die emotionalen Blockaden immens", meint Volkan. Seine Strategie beginnt mit Fragen: Wie können wir die Motive der Attentäter erkennen? Welche Wunden haben sie? Wie können wir erreichen, sie nicht zu erniedrigen?
Volkan fordert eine neue Renaissance
"Sehen wir hinter diesen Handlungen die Menschen, dann können wir versuchen zu erforschen, was sie so furchtbar macht",rät der Psychoanalytiker."Der Selbstmordattentäter fühlt sich als Opfer, doch zugleich als allmächtig, weil er Gott auf seiner Seite weiß." Volkan empfiehlt: "Im Grunde benötigen wir eine neue Renaissance. Dies verlangt ein neues Denken und die Entwicklung von ernsthaften und friedlichen Initiativen."
Nicht nur eine neue Epoche wie die TAZ, nein die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beschwört gleich ein "neues Erdenzeitalter" herauf: "Wissenschaft und Kunst verbünden sich, um es zu begreifen." Drei Autoren beschreiben die Veränderungen:
"Der Mensch hat mit seiner frenetischen Aktivität so tief und nachhaltig in die Welt eingegriffen, dass es Natur im bisherigen Sinne nicht mehr gibt. Der Mensch ist selbst zu einer Naturgewalt geworden, zum geologischen Akteur."Einige seiner "Aktionen": "Er hat das Klima nachhaltig verändert und die gesamte Chemie des Planeten aus dem Gleichgewicht gebracht, er hat Plutonium über die Erde gestreut und neue Metalle erfunden. Er trägt Berge ab, durchbohrt die Erde und baut im Schnitt täglich einen neuen Staudamm. Fazit: Wir stehen am Anfang des Anthropozäns, des Zeitalters des Menschen, das nun dem beschaulichen und stabilen Holozän folgt."
Wir sind Zeuge der ersten Versuche, die neue Ära über Gattungsgrenzen hinweg zu kartografieren. Der Anthropozän-Diskurs der Wissenschaften und Künste hat gerade erst begonnen.
Italien auf dem Weg zum Agrarland
"Es geht um die Wurst", heißt die Überschrift zu einem Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, in dem erklärt wird,
"je mehr Italien an Industrie verliert, desto entschlossener will es wieder das werden, was es einstmals war: ein Agrarland – nun allerdings im Zeichen eines avancierten Marktes."
Als Botschafterin für die italienische Lebensart posiert die schöne Sophia Loren auf Seite 19 mit Riesengabel und –Löffel, vermutlich aber wirkungsvoller mit ihrem Kochbuch: "In der Küche mit Liebe", das in Deutschland gerade wieder neu aufgelegt wurde. Die italienische Küche hat mit Pizza und Miracoli ihren Siegeszug um die Welt längst angetreten.
"Sie ist", so wird sie von Thomas Steinfeld beschrieben, "einfach, setzt wenig Elemente und Routine voraus, baut darauf nach Art eines Modulsystems auf und ist beschaffen, dass die Kinder und die Alten, die weniger Zahlungsfähigen und die Wohlhabenden gleichermaßen daran teilhaben können."
Wer Lust auf Flüche hat, kann in der Tageszeitung die WELT nachlesen, was Stararchitekt Frank Gehry einem Journalisten auf dessen Frage, ob Gehry Show-Architektur mache, antwortete:
"In der Welt, in der wir leben, ist 98 Prozent all dessen, was gebaut und entworfen wird, reine Scheiße. Es gibt kein Gefühl für Design, keinen Respekt vor der Menschheit oder vor irgendwas anderem. Es sind saublöde Gebäude, und das war's."