Aus den Feuilletons

Architektur an den Rand gedrängt

04:16 Minuten
Der Siegerentwurf für ein Museum der Moderne in Berlin der Schweizer Architekten von Herzog & de Meuron, wird am 17.11.2016 bei der Eröffnung einer Ausstellung im Kulturforum in Berlin präsentiert.
Das geplante "Museum der Moderne" werde das Kulturforum (links neben der St. Matthäus-Kirche) architektonisch an den Rand drängen, fürchtet Nikolaus Bernau. © Ralf Hirschberger/dpa
Von Gregor Sander · 12.11.2019
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Es sei ein Fehler, das "Museum der Moderne" in Berlin nach dem Willen von Monika Grütters am Kulturforum zu bauen, schreibt die "FAZ". Die neue Staatsbibliothek würde an Bedeutung verlieren und zudem führe die wasserreiche Lage zu hohen Baukosten.
"Diese Scheune ist ein Skandal", titelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, und gemeint ist damit das noch zu bauende "Museum der Moderne" in Berlin. Der Haushaltsausschuss des Bundestages wird am Mittwoch über die Finanzierung debattieren, was Nikolaus Bernau auf die Palme bringt:
"Das Kulturstaatsministerium von Monika Grütters hat keine Mühe gescheut, das Projekt gegen allen internen Widerstand und gegen alle Fachkritik durchzuprügeln." Entstehen soll der Neubau am Kulturforum, was für Bernau ein Grund ist noch ein Stück höher auf die Palme zu klettern:
"Erkennt keiner derjenigen, die jetzt - ermattet vom Dauerbombardement derer, die sagen, es sei für Berlin katastrophal, wenn die Scheune nicht komme - ihre Baukosten durchwinken, was wirklich katastrophal ist? Nämlich, wie extrem 'die Scheune' in die Wirkung der Philharmonie und vor allem der Neuen Nationalgalerie eingreift? Sie drängt diese und die Neue Staatsbibliothek regelrecht an den Rand des Kulturforums."

Teures Bauen im Wasser

Das einzig Lustige an diesem Artikel ist die durchgängige Bezeichnung des Museums als "Scheune". Der Herzog- und de Meuron-Bau konnte sich ja schon lange vor der Entstehung einen dieser gefürchteten Berliner Gebäudespitznamen ergattern. Man denke nur an die Schwangere Auster oder den Telespargel. Die zu erwartenden Kosten jedenfalls sind für den FAZ-Autor auch eher ein Trauerspiel.
"Angesichts der technischen Probleme, mitten im wasserreichen Urstromtal der Spree zu bauen, sprechen Fachleute schon von 600 Millionen. Grütters sagt, die 364,2 Millionen Euro seien ihre 'Schmerzgrenze'", so ein zweifelnder und verzweifelter Nikolaus Bernau.

Digitales Facelifting für De Niro

Zwischen Netflix und dem guten alten Kino wird wohl auch keine Freundschaft mehr entstehen, aber an diesem Donnerstag kommt eine Produktion des amerikanischen Streamingdienstes in die sonst häufig so leeren altehrwürdigen Säle.
"Die Rückkehr des Dreamteams Robert De Niro/Joe Pesci/Harvey Keitel, außerdem zum ersten Mal Al Pacino. Das ganz große Nachkriegspanorama Amerikas zwischen organisiertem Verbrechen und Politik, erzählt in dreieinhalb Stunden", schreibt Andreas Busche im Berliner TAGESSPIEGEL über "The Irishman" von Martin Scorsese.
160 Millionen soll der Streifen gekostet haben und nur Netflix war bereit, dieses Risiko einzugehen. Der Film beginnt in einem Altersheim und erzählt in Rückblenden seine Mafiageschichte. Dafür wurden die Schauspieler, die inzwischen alle über siebzig sind, digital verjüngt, was Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG nicht überzeugt:
"Die künstliche Straffung der Gesichter funktioniert mal mehr, mal weniger gut, manchmal wirkt sie eher wie ein missglückter Einsatz von Gesichtsbräuner. Die Sprache der Körper aber und die Geschmeidigkeit der Gelenke, die kann man digital am wenigsten fälschen. Das verschärft den Grundton der Melancholie, der hier alles durchzieht."

Netflix diktiert neue Regeln für den Kinomarkt

Hanns-Georg Rodek von der Tageszeitung DIE WELT verzichtet fast komplett auf eine inhaltliche oder ästhetische Kritik, weil das Drumherum des Filmes viel spannender ist. Die meisten Kinos wollen ihn nämlich gar nicht:
"Die Hauptkröte, die sie schlucken sollen, ist die begrenzte Exklusivität: Filme dürfen nur zwei Wochen (in Europa) oder vier (in den USA) exklusiv auf der großen Leinwand zu sehen sein, bevor sie auf der Plattform gestreamt werden können."
Daher bedient sich Netflix eines Tricks, der in Deutschland schon einmal funktionierte: "NFP, ein kleiner Verleih, brachte 'Roma' in einem Dutzend Arthauskinos unter. Als die Qualität des Filmes sich herumsprach, weitete sich der Kreis auf bis zu 40 Leinwände. 'Irishman' startet mit rund 50 Kinos, ein Film solchen Kalibers würde normalerweise in bis zu 700 Kinos eingesetzt", so Rodek in der WELT.
Einen richtigen Sieger wird es in diesem Kampf wohl nicht geben, weil die meisten Zuschauer so den vielleicht letzten großen Scorsese-Mafiafilm auf dem Mäusekino ihres Laptops sehen werden.
Aber ist das wirklich ein Angebot, das man nicht ablehnen kann?
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