Aus den Feuilletons

Apokalyptisches Geraune alter Herren

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Rüdiger Safranski und Botho Strauß reden von "Auslöschung" und "Flutung" Deutschlands... © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Von Hans von Trotha · 05.10.2015
"Die apokalyptische Formel von einer 'Ausländerflut' ist im Feuilleton angekommen", erklärt der "Tagesspiegel" in Bezug auf entsprechende Texte von Rüdiger Safranski und Botho Strauß. Dagegen hilft vielleicht das Grundgesetz, das die TAZ in Auszügen abdruckt.
"Unser Robin Hood", titelt die TAZ zum Tod von Henning Mankell und die FAZ: "Ein Schwede für Afrika". Mankells Verleger Michael Krüger schreibt in der NZZ:
"Als normaler Mitteleuropäer kennt man solche Karrieren nur aus dem Fußballgeschäft, wenn plötzlich ein deutscher Trainer in Kamerun auftaucht und die Abseitsfalle einstudiert."
Derzeit tauchen allerdings wesentlich mehr Afrikaner bei uns auf und lernen hier, was die Abseitsfalle ist. Felicitas von Lovenberg erinnert in der FAZ:
"Als Mankell Wallander im Mai 1989 erfand, lag gerade ein dreijähriger Aufenthalt in Afrika hinter ihm. Als er nach Schweden zurückkam, sei ihm schlagartig klar geworden, 'dass eines der größten Probleme Schwedens die Fremdenfeindlichkeit ist'. In 'Mörder ohne Gesicht', Wallanders erstem Fall, geht es um den brutalen Mord an einem Bauernehepaar, dessen Täter aus rassistischen Motiven zunächst unter den Asylbewerbern im nahegelegenen Ystad vermutet wird."
Der Schriftsteller Henning Mankell
Der Schriftsteller Henning Mankell© picture alliance /dpa /Inga Kjer
Wenn die ARD bei Pegida kopiert
Jetzt werden viele wieder "Wallander" lesen. Hoffentlich ist auch die Redaktion der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" dabei. Der TAGESSPIEGEL rekapituliert die letzte Ausgabe:
"Der Beitrag läuft noch keine Minute, da ist ein Szenario zu sehen, das eine rechtspopulistische Partei kaum besser hätte entwerfen können: Der Reichstag ist bestückt mit Minaretten, ... ein Bild später wird Bundeskanzlerin Angela Merkel im Tschador gezeigt."
Paul Wrusch erklärt in der TAZ:
"Aus einem Guss ist sie, diese Fotomontage. Als Vorbild dient ein ikonenhaftes Plakat der Staatsfreunde von Pegida. Die ARD kopiert also von den Besten. Sie will weg von ihrem Graubrot-Image hin zu den Menschen auf der Straße. Die brauchen starke Bilder, die wollen Emotionen und simple Botschaften."
"Offene Schamgrenzen" bei Botho Strauß
Für die Intellektuellen unter uns gibt's statt der starken Bilder starke Worte. Christian Schröder kommentiert seinerseits im TAGESSPIEGEL die Kommentare von Botho Strauß im "Spiegel" und Rüdiger Safranski in der "Welt" zur Lage der untergehenden Nation:
"'Die Politik hat die Entscheidung getroffen, Deutschland zu fluten', sagt Rüdiger Safranski in einem sorgenvollen Altmännergespräch mit Mathias Matussek in der 'Welt'. 'Wenn die Kanzlerin sagt, Deutschland wird sich verändern, da möchte ich doch bitte gefragt werden.' Die apokalyptische Formel von einer 'Flüchtlings'- oder 'Ausländerflut' ist im Feuilleton angekommen. Erfunden wurde sie rechtsaußen'."
Vielleicht hat sich Safranski ja mit der ARD-Redaktion abgestimmt. Und mit Botho Strauß. Der, so Schröder:
"Zelebriert Rückzugsgefechte. Seinen wirren Essay im 'Spiegel' nennt er 'Der letzte Deutsche', womit natürlich nur einer gemeint sein kann. ... Als "Erdulden einer Auslöschung' bezeichnet Strauß das und schreibt einen Satz, der vor Zynismus trieft: 'Palmyra, auch hier'."
"Der letzte Deutsche?", fragt Schröder und antwortet sich selbst:
"Der allerletzte.'"
"Offene Schamgrenzen" identifiziert die FAZ bei Strauß. Dietmar Dath fasst es so zusammen:
"Der Dichter schreibt überreiztes, allerlei Dolchstöße und Verschwörungen andeutendes Geraune wie die allermeisten unserer Großen, wenn sie nur in entsprechend krachdeutscher Verfassung waren."
Doris Akrap porträtiert in der TAZ die, die die alten Herren so nationaldepressiv macht: die Stimmung:
"Wäre sie nicht so einflussreich und profitabel, man hätte sie längst in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gesteckt. ... Stattdessen wehrt sie sich nicht dagegen, ständig nach ihrem Befinden gefragt zu werden, lässt sich von Günther Ob-der-Staat-das-noch-wuppen-kann Jauch als Zaungast aufs Sofa setzen und von Barometern und Umfragen durch die Gegend schubsen."
Grundgesetznachhilfe
Vielleicht hebt es ja die Stimmung der Herren Strauß und Safranski, dass die aktuelle "Bild"-Zeitung, wie die TAZ berichtet, in 40.000 Gratis-Exemplaren vor Flüchtlingsunterkünften verteilt wird, darin die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes auf Arabisch.
"Dabei brauchen doch auch andere Nachhilfe - von Heidenau bis Tröglitz, von Salzhemmersdorf bis Hamburg-Harvestehude".
Für die druckt die "taz" als Service "noch mal Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ab. Auf Deutsch. Zum Ausschneiden und Verteilen", wie es heißt. Und da steht's, fett, groß, gestrichelt eingerahmt, das Wort zur Flut:
"Die Würde des Menschen ist unantastbar."
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