Aus den Feuilletons

Ach was, der Raab kommt wieder!

Moderator Stefan Raab steht am 20.09.2014 beim zehnten Bundesvision Song Contest 2014 in Göttingen (Niedersachsen) auf der Bühne.
Moderator Stefan Raab steht am 20.09.2014 beim zehnten Bundesvision Song Contest 2014 in Göttingen (Niedersachsen) auf der Bühne. © dpa/ picture alliance/ Swen Pförtner
Von Hans von Trotha · 18.06.2015
Stefan Raab, Ex-TV-Entertainer bei ProSieben, bekommt Bewunderung, weil sein angekündigtes Karriere-Ende den Aktienmarkt beeinflusst. Der Schriftsteller Navid Kermani, der den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, wird für seine "moralische Kraft" gelobt.
Zwei sehr unterschiedliche Männer beschäftigen die Feuilletons. Der eine durfte schon vor dem Bundestag sprechen, der andere beeinflusst sogar die Börse. Der eine behauptet, er höre auf mit dem, was er macht. Der andere heißt Navid Kermani und erhält für das, was er macht, den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Bei beiden sind sich die Feuilletons einig, dass sie das, was sie machen, sehr gut machen. Bisweilen ist es schon eigenartig, was für Nachbarschaften Agenturmeldungen auf Feuilletonseiten stiften.
Navid Kermani ist, wie Martin Ebel in der WELT feststellt,
"ein so idealtypischer Friedenspreisträger, dass man sich verwundert fragt, warum er ihn nicht schon längst bekommen hat.“
Gustav Seibt findet in der SÜDDEUTSCHEN:
"Die moralische Kraft, die hinter einer solchen Lebensleistung eines mit 47 Jahren fast noch jungen Autors steht, hat kaum eine Parallele in den wohlumzirkten Gärten sonstiger deutschsprachiger Literatur.“
Hubert Spiegel schafft in der FAZ das Unmögliche – nachdem er selbst erklärt hat, dass das, was er da schafft, das Unmögliche ist: "Man kann“, schreibt er, "das Werk von Navid Kermani nicht auf einen einzigen Satz zurückführen. Aber wenn man es könnte, dann müsste es wohl dieser Satz sein: ´Religionen haben ihre Ästhetik.´“
"Ein Rücktritt vom Rücktritt geht immer im Fernsehen"
"Man bekam“, das schreiben David Denk und Hans Hoff in der SÜDDEUTSCHEN,
"am Donnerstag einen guten Eindruck von der Tragweite der Entscheidung, die Stefan Raab am späten Mittwochabend über seinen Haussender ProSieben verbreiten ließ. Nach der Ankündigung seines Bildschirmabschieds zum Jahresende fiel die Aktie des börsennotierten Privatsenders um 1,25 Prozent.“
So recht mögen die SÜDDEUTSCHE-Autoren nicht glauben, dass Raab wirklich geht. "Ein Rücktritt vom Rücktritt geht immer im Fernsehen“, sprechen sie sich und der Börse Mut zu.
Raab hat, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ, "eine Ära geprägt und scheint zu wissen, wann es Zeit ist zu gehen.“ - "Ob er wiederkommt?“, fragt Hanfeld – und legt sich fest: "Er steigt wieder in den Ring, jede Wette.“
Die trauen sich was bei der FAZ. Der Hanfeld weiß, was Stefan Raab tun wird, und Patrick Bahners rezensiert nicht nur die aktuelle Enzyklika des Papstes, sondern beantwortet in diesem Zuge die eine ganz große Frage, nämlich: "WWJD“. - "In den Vereinigten Staaten“, erzählt Bahners, "gibt es Christen, die sich dadurch zu erkennen geben, dass sie auf ihrem Auto einen Aufkleber mit den Buchstaben WWJD anbringen. Soll heißen: "What would Jesus do?´“ Und für Patrick Bahners kann keine Buchstabenfolge so kryptisch sein, dass er sich nicht zur Beantwortung einer in ihr verborgenen Frage berufen fühlte: "Was“, lesen wir also ausgeschrieben in der FAZ, "würde Jesus tun, in der gegebenen Großwetterlage des Planeten? (…). Jesus würde zum Beispiel mit Sicherheit Car-Sharing betreiben.“
Verschwörungstheorie über den Kammerton A
Das ist jetzt natürlich ein bisschen enttäuschend. Lieber hätten wir zum Beispiel gewusst, wie Jesus sein Klavier stimmen würde. In der SÜDDEUTSCHEN irritiert uns nämlich der Musikwissenschaftler Ted Gioia mit der Frage: "Stimmen wir unsere Instrumente falsch – und sind die Nazis daran schuld?“
Es geht ums A. "Musiker“, lernen wir, "sind sich über wenig einig, außer darüber, dass der Standard-Kammerton A auf 440 Hertz zu stimmen ist. Aber“, so heißt es weiter,
"Verschwörungstheoretiker behaupten, dass die Nazis die 440-Hertz-Stimmung verbreitet hätten. Chefpropagandist Joseph Goebbels soll sie als Teil des ruchlosen Plans eingeführt haben, das Bewusstsein der Massen zu kontrollieren. (…) Den Rechtgläubigen zufolge erzeugt Musik erst dann positive, heilende Energie, wenn das A auf 432 Hertz gestimmt wäre. Diese Stimmung, behaupten sie, sei stärker im Einklang mit Kosmos und Natur. Die Nummer 432 findet sich im Verhältnis von Sonne, Erde und Mond ebenso wieder, wie in der Kreiselbewegung der Tagundnachtgleiche, der Cheops-Pyramide, Stonehenge, dem hinduistischen Sri Yantra und vielen weiteren heiligen Stätten“,
erklärt die Autorin Elina St-Onge. Und auf wen“, fragt Ted Giaia uns, "würden Sie setzen: Stonehenge und die Cheops-Pyramide oder Goebbels und die Nazis?“
Ja, bei Raab und bei Carsharing, da trauen sie sich was, die Feuilletons. Doch wenn die Fragen brenzlig werden, dann lassen sie uns doch allein.