Auftakt beim Filmfestival Locarno

Radikale Filme für ein aufgeschlossenes Publikum

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Die Rotunde des Locarno Film Festivals in der Abenddämmerung
Die Rotunde des Filmfests Locarno: Unter Leitung von Lili Hinstin soll das Festival jünger werden, aber radikal bleiben © Locarno Film Festival Massimo Pedrazzini
Patrick Wellinski im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 07.08.2019
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Das 72. Filmfestival von Locarno ist das erste unter Leitung von Lili Hinstin. Sie hat sich die Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben und will mehr Regie-Debüts zeigen. Am grundlegenden Kurs des Festivals soll aber nicht gerüttelt werden.
Das Vorhaben der neuen künstlerischen Leiterin Lili Hinstin, das Locarno-Festival jünger zu machen und Regie-Debüts zu fördern, wurde gleich am ersten Abend der 72. Ausgabe umgesetzt. Als Eröffnungsfilm wurde "Magari" gezeigt, der erste Streifen der jungen italienischen Regisseurin Ginevra Elkann.
"Magari" sei sicher nicht der große Eröffnungsfilm, sagt unser Filmkritiker Patrick Wellinski - aber ein kleines Kunststück sei er doch. Erzählt wird die Geschichte einer Scheidungsfamilie. Die drei Kinder werden von der eben wieder schwangeren Mutter in Paris zum Vater nach Italien geschickt. Der, ein Playboy mit einer erheblich jüngeren Lebensgefährtin, fremdelt sichtlich mit den Kindern.

Die Textur überzeugt

Überzeugt habe ihn vor allem die Textur des Films, sagt Kritiker Wellinski: "Er ist auf 16mm gedreht, dadurch wirkt der Ort, aber auch die Kleidung der Figuren sehr haptisch, sehr glaubwürdig."
An dem Eröffnungsfilm lasse sich schon ein bisschen die Handschrift der neuen Leitung erkennen, meint Wellinski: "Nachwuchs und Regie-Debüts sollen gefördert werden, auch die Mehrsprachigkeit."
Ein radikaler Bruch mit dem bewährten Konzept von Locarno sei von der neuen Leiterin Hinstin dennoch nicht zu erwarten: "Und das ist auch sehr weise. Radikale Filme für ein sehr aufgeschlossenes Publikum, das ist das Alleinstellungsmerkmal von Locarno, und es ist besser, das es auch so bleibt."
Eine Frauenquote lehne Lili Hinstin ab, berichtet Wellinski. Sie sei der Ansicht, dass sich Regisseurinnen dann nicht ernst genommen fühlten.
Die künstlerische Leiterin des Locarno Filmfestivals, Lili Hinstin, steht vor Kino-Sesseln
Die neue künstlerische Leiterin des Locarno Filmfestivals, Lili Hinstin, lehnt eine Frauenquote ab.© Locarno Film Festival Samuel Golay
Der deutsche Film ist in diesem Jahr gut vertreten in Locarno. "Im Wettbewerb läuft der neue Spielfilm 'Das freiwillige Jahr' von Ulrich Köhler und Henner Winckler, aber es gibt auch ganz anderes deutsches Kino." Auf der Piazza Grande werde der Flugzeug-Entführungsthriller "7500" von Patrick Vollrath gezeigt. In den Nebenreihen wiederum gebe es jede Menge Newcomer zu sehen, "die wir hier in den nächsten Tagen entdecken werden", so Wellinski.
(beb)
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