Aufstand des braunen Heeres

Von Bernd Ulrich · 30.06.2009
Auf Befehl Adolf Hitlers wurde vor 75 Jahren der sogenannte Röhm-Putsch niedergeschlagen. Der Stabschef der SA, Ernst Röhm, plane, so hieß es, einen Staatsstreich, um die SA als mächtiges Milizheer zu etablieren. Das aber gefährdete die Pläne Hitlers.
"Die SA ist zu einem Felsblock geworden, den nichts auf der Welt mehr erschüttern kann. Wer glaubt, sie aus dem politischen Leben ausschalten zu können, beweist damit, dass er von dem Geist, von dem Wesen und von der wuchtigen Kraft dieses braunen Heeres keine Ahnung hat. Nahezu eine halbe Million bester deutscher Männer stehen heute bereits unter unseren Fahnen. Nicht lange und ihre Zahl wird sich verdoppelt haben."

Ernst Röhm, Jahrgang 1887, Weltkriegsoffizier, geschickter Organisator und entscheidend beteiligt am Aufbau der SA, konnte nicht ahnen, dass seine Voraussage von der Wirklichkeit noch weit übertroffen wurde: Zwei Jahre nach dieser Rede, Mitte 1934, umfasste die von ihm geführte NS-Parteiarmee über 4,5 Millionen Mitglieder. Dieser immense Zuwachs verdankte sich vor allem der Übernahme rechter und ultrarechter Wehrverbände nach der sogenannten Machtergreifung. Aber schon im Laufe des Jahres 1933 war es zu einer Eintrittswelle in die SA gekommen. Die, so Röhm, "wuchtige Kraft dieses braunen Heeres" suchte nach Betätigung, nach Macht – und stellte vor allem eine Bedrohung der Reichswehr und künftigen Wehrmacht dar.

So jedenfalls empfanden es die Generäle. Tatsächlich hatte es von Anfang an massive Differenzen zwischen Hitler und Röhm über die Aufgaben der SA gegeben. Der eine sah in ihr eine reine Hilfstruppe der Partei, während Röhm sie als Wehrverband begriff und bereits die Bewaffnung von Teilen der SA eingeleitet hatte. Seine Ambitionen, neben der Armee eine Art SA-Volksheer zu schaffen, waren unübersehbar. Doch Putschpläne waren daraus nicht entstanden. Ende Juni 1934, - Röhm hatte nach einer Unterredung mit Hitler die SA für den Juli "in Urlaub" geschickt -, schien der günstige Moment für den "Führer" gekommen, um, wie es der Historiker Michael Wildt formuliert hat:

" ... mehrere Vorteile zu erringen: die Zerstörung jedweder Machtambitionen seitens der SA, die Einbindung der Reichswehr und die Auflösung von Befürchtungen im bürgerlich-konservativen Lager, der Nationalsozialismus könne doch noch zu einer plebejischen Diktatur führen."

Dann ging alles sehr schnell. Röhm wurde am 30. Juni 1934 von SS- und Polizeieinheiten und mit logistischer Unterstützung der Reichswehr in seinem Kurort Bad Wiessee festgenommen und kurz darauf ermordet. Zugleich kam es in den nächsten Tagen überall im Reich zu weiteren Morden: So wurden etwa der einstige Reichskanzler und General Kurt von Schleicher und seine Frau noch an der Haustür erschossen. In München traf es beispielsweise Gustav Ritter von Kahr, der 1923 den Hitler-Putsch vereitelt hatte.

Offiziell war von 20 bis 25 Opfern die Rede, tatsächlich dürften es annährend 200 Menschen gewesen sein, die von den SS- und Gestapokommandos umgebracht worden sind. Am 13. Juli 1934 hielt Hitler im Reichstag eine lange Rede, in der er verkündete:

"Wenn mir jemand den Vorwurf entgegenhält, weshalb wir nicht die ordentlichen Gerichte zur Aburteilung herangezogen hätten, dann kann ich ihm nur sagen: In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr!"

Bereits zuvor, am 3. Juli, war das "Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr" erlassen worden; es hatte nur einen Artikel:
"Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens."

Es gab kaum Proteste – schon gar nicht solch prononcierte Kritik wie die der Juristen vom Münchener Oberlandesgericht in einem geheimen Schreiben:

"Gibt es einen Menschen auf der Welt, der ein Gesetz für gültig hielte, wonach jeder deutsche Staatsbürger verpflichtet wäre, sich an bestimmten Tagen das Jahres von Mördertrupps, die die Regierung aussenden werde, nach deren Gutdünken widerstandslos töten zu lassen? Ein solches Gesetz wäre ohne allen Zweifel null und nichtig."

Kurz darauf, am 2. August 1934, starb Reichspräsident von Hindenburg. Am 19. August bestätigte eine überwältigende Mehrheit der Deutschen in einer Volksabstimmung, dass Hitler nun die Ämter des Reichspräsidenten, Reichskanzlers und Obersten Befehlshabers in seiner Person vereinigte. Und noch einen Gewinner des so genannten Röhm-Putsches gab es:

Schon am 30. Juni 1934 hatte Hitler den Reichsführer SS, Heinrich Himmler, befördert und die SS zur selbstständigen Organisation in der NSDAP ernannt.