Aufstände gegen autokratische Regime

21.05.2012
Eugene Rogan gilt als Kenner der arabischen Welt. Mit "Die Araber" liefert er eine Geschichte von Unterdrückung und Aufbruch und stellt sie in einen Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen in Ägypten, Syrien, Tunesien und Libyen.
Vor drei Jahren erschien im englischen Original "The Arabs. A history" - eine Gegenwartsgeschichte der arabischen Welt. Sie beginnt mit der Schilderung einer folgenreichen Schlacht zwischen Mameluken und Osmanen im Jahr 1516 und endet mit der berühmten Rede des amerikanischen Präsidenten Obama in Kairo 2009. Ergänzt um eine Einleitung, die die Ereignisse des "arabischen Frühlings" vom vergangenen Jahr darstellt, erscheint das Buch des amerikanischen Historikers Eugene Rogan nun in deutscher Übersetzung.

"Die Araber. Eine Geschichte von Unterdrückung und Aufbruch": Der deutsche Untertitel verdeutlicht den roten Faden von Rogans Darstellung. Der Direktor des "Middle East Centre" der Universität Oxford beschreibt nicht die ganze Geschichte der arabischen Welt seit Mohammed, sondern "nur" die letzten 500 Jahre, den fortwährenden Kampf um Macht zwischen arabischen Völkern und Fremdherrschern.

Ereignisse, Schlachten und historische Akteure stellt Rogan vor, erzählt klar und informativ, durchaus aus arabischer Perspektive, aber ohne Parteinahme. Ein Werk, das gut lesbar, keineswegs nur für eine akademische Klientel gedacht ist.

Rogan bewegt sich in dem Raum zwischen Schwarzem Meer, Balkan, Nordafrika, Jemen und dem Persischem Golf: Dies ist für ihn der Raum, in dem sich arabische Geschichte abspielt. Wobei sich die Grenzen dieses Raums immer wieder verschieben. Er geht chronologisch vor, ausgehend vom Niedergang der Mameluken-Herrschaft und dem Aufstieg des Osmanischen Reiches – dem Moment, in dem "die Araber" unter die Herrschaft der Osmanen geraten.

Er unterscheidet verschiedene Phasen dieser Geschichte: das zwar heterogene, doch weithin stabile Osmanenreich zwischen 1500 und der Mitte des 18. Jahrhunderts; darauf folgend dessen Zersetzung durch den Aufstieg lokaler, arabischer Führer und die Berührung mit europäischen Mächten; den Niedergang der osmanischen Herrschaft im Zeitalter des frühen Kolonialismus; die Zeit nationaler Freiheitsbestrebungen nach dem Zusammenbruch des Osmanenreiches am Ende des Ersten Weltkrieges und die weitreichende Einflussnahme von Briten und Franzosen; den Siegeszug des arabischen Nationalismus in den 1950er-Jahren, die erstarkende Macht des Islam seit den 1980er-Jahren sowie die Ereignisse der jüngeren Geschichte - die Kriege im Libanon, Irak, die Konflikte mit Israel.

Rogan macht deutlich, dass ein arabisches "Wir-Gefühl" erst sehr spät entstand und eine "arabische Nation" weder ethnisch noch politisch existierte. Auch für die nähere Zukunft sieht der Historiker keinen Zusammenschluss aller arabischen Völker, gleichwohl konstatiert er "ein neues Empfinden arabischer Identität" seit den Revolutionen in Tunesien und Ägypten.

Knapp analysiert Rogan den Verlauf der Aufstände des vergangenen Jahres gegen autokratische arabische Regime und deren Zusammenarbeit mit dem Westen. Sein Befund: Momentan würden freie Wahlen in der arabischen Welt diejenigen gewinnen, die Amerika-feindlich und/oder islamistisch seien. Eine Herausbildung verlässlicher demokratischer Strukturen sei dort kurzfristig nicht zu erwarten. Dennoch prognostiziert der Autor die wachsende Bedeutung säkularer politischer Akteure in diesen Ländern.

Rogans Buch verschafft einen profunden Überblick über die politische Geschichte der arabischen Welt in der Epoche der europäischen Neuzeit. Es hat erzählerische Qualitäten, aber es ist im Kern eine Ereignisgeschichte: Was fehlt, sind die Dimensionen der Sozial- und Kulturgeschichte, die ein Verständnis jenseits politischer Entwicklungen vermitteln würden.

Besprochen von Carsten Hueck

Eugene Rogan: Die Araber. Eine Geschichte von Unterdrückung und Aufbruch
Aus dem Englischen von Hans Freundl, Oliver Grasmück und Norbert Juraschitz
Propyläen Verlag, Berlin 2012
735 Seiten, 26,99 Euro