Aufbruch um jeden Preis

Von Thilo Kößler · 28.10.2006
18 Millionen Menschen ziehen Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge in Afrika von Land zu Land - entweder in den reichen Süden oder nach Norden, in Richtung Europa. Sie fliehen nicht vor Verfolgung oder Unterdrückung, sondern vor Armut und Hunger.
Längst ist vom Zeitalter der Migration die Rede: Im Zeichen der Globalisierung und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich nimmt die Wanderungsbewegung weltweit zu. Als Barriere zwischen Afrika und Europa gehört das Mittelmeer dabei zu den besonders dramatischen Schauplätzen dieses Aufbruchs um jeden Preis.

Anfang des Jahres setzte der Deutschlandfunk mit seiner Serie "Gefährlicher Transit – die afrikanische Wanderung nach Europa" einen Themenschwerpunkt, in dem individuelle Schicksale von Migranten nachgezeichnet wurden. Damals war noch nicht abzusehen, welches Ausmaß dieser Exodus aus Afrika in diesem Jahr noch annehmen würde. Allein in diesem Sommer kamen 26.000 Menschen auf den Kanarischen Inseln an. Die Folge waren kollektive Hilferufe, immer neue Initiativen zum Ausbau der "Festung Europa" und eine Fülle von Konferenzen auf nationaler und europäischer Ebene. Doch einer gemeinsamen Migrationspolitik ist die EU noch keinen Schritt nähergekommen.

Die Lange Nacht der Migration fragt nach Hintergründen und Motiven dieser Wanderungsbewegung, nach individuellen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für Herkunfts- und Zielländer. Und nach konstruktiven Lösungsansätzen für eine humanitäre Katastrophe, die Europa politisch und ethisch auf die Probe stellt.

Studiogäste sind: Der "Spiegel"-Reporter Klaus Brinkbäumer, der wochenlang in Afrika unterwegs war und den Migrationsströmen folgte. Heribert Prantl, der sich als Ressortchef der Süddeutschen Zeitung immer wieder kritisch mit den innenpolitischen Aspekten des Themas auseinandersetzt. Und Graham Watson, der Fraktionschef der Liberalen im Europäischen Parlament, der nicht nur europapolitische Kompetenz in die Diskussion einbringen kann: Sein Wahlkreis ist Gibraltar.

Studiogäste:
Klaus Brinkbäumer
Heribert Prantl
Graham Watson

Klaus Brinkbäumer
Geschlossene Gesellschaft Europa
Millionen Afrikaner sind auf der Flucht nach Norden - doch nur jeder vierte von ihnen wird vom Uno-Flüchtlingswerk überhaupt anerkannt. Wer von Aids, Tsunamis, Erdbeben und Hungersnöten in die Fremde getrieben wird, gilt nicht als Flüchtling. Europa igelt sich ein. Das muss sich ändern.
Weiterlesen: spiegel.de: Geschlossene Gesellschaft Europa
Klaus Brinkbäumer
Der Traum vom Leben
Eine afrikanische Odyssee
2006 Fischer (S.), Frankfurt
Wie verzweifelt müssen Menschen sein, um ihre Heimat, ihre Familien, ihre Kinder zu verlassen? Um sich auf eine Odyssee zu begeben, deren Ausgang ungewiss ist? Um sich, wenn sie tatsächlich das kalte, unwirtliche Europa erreichen, als so genannte illegale Einwanderer verstecken zu müssen oder als Zwangsprostituierte ausgebeutet zu werden? Klaus Brinkbäumer ist auf der zentralen Route der Flüchtlinge quer durch sieben afrikanische Staaten gereist. Er erzählt die Geschichte seines Begleiters John Ampan aus Ghana, der damals fünf Jahre bis Europa brauchte, weil er deportiert, in der Wüste ausgesetzt und ins Gefängnis gesteckt wurde; er erzählt von Jane Aimufua aus Benin-City, die ihre drei Kinder zurückließ, um in Europa Geld für sie zu verdienen; und er erzählt von all den Menschen, denen er unterwegs begegnet ist, auf den Lastwagen, in der Sahara und in den Bergen, in den Kellern von Agadez, in den Gassen von Tanger.
"Der Traum vom Leben" ist ein Buch über Afrika, über die Träume von Menschen, ein Buch auch über Europa und die Realität unserer Politik.
Laut Graham Watson können die größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (Bevölkerungswachstum und Migration, Klimawandel und internationale Verbrechen) nur auf supranationaler Ebene gelöst werden. Hierfür ist ein stärkeres Bewusstsein über die Rolle der europäischen Institutionen gefragt. Er erklärte: "Die Kommission legte einen "Plan D" für Dialog vor. Was wir jedoch brauchen ist ein "Plan V für Vision" und ein "Plan F für Führung." Weiterlesen: Graham Watson: "Europe needs to pay more attention to the political challenges of tomorrow"
Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
It might surprise some to find a Briton leading the most pro-European group in the European Parliament. But as head of the Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE), Graham Watson counts as members of his group the Union pour la Démocratique Française, France's consistently most enthusiastic party about Europe, as well as his own fervently pro-EU party, the UK's Liberal Democrats.
Weiterlesen: Alliance of Liberals and Democrats for Europe in the European Parliament
Claudia Roth und Graham Watson setzen dabei stärker auf die europäische Karte und machten sich für eine gemeinsame Flüchtlings- und Einwanderungspolitik stark. Dabei müssten sowohl Menschenrechte als auch legale Zuwanderungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Europa brauche Einwanderer, so Watson. Weiterlesen:Das Parlament: Zukunft mit Fragezeichen
Das Parlament: Heikle Gratwanderung bei der Steuerung der Zuwanderung
Interview mit Thomas Straubhaar, Präsident des HWWA - nachzulesen in der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" - in den Beilagen des "Parlaments" finden Sie zahlreiche Artikel zum Thema Migration.

Persönlichkeiten aus verschiedenen Einwanderercommunities haben Ende September 2003 in Köln gemeinsam mit WissenschaftlerInnen den Verein "Migrationsmuseum in Deutschland" gegründet. Ziel des Vereins ist es, in Deutschland ein Migrationsmuseum als Zentrum der Geschichte, Kunst und Kultur der Migration zu errichten. Migrationsmuseum in Deutschland e.V.
Postfach 510548
50941 Köln

migration-info.de liefert aktuelle Informationen über Migration, Integration, Zuwanderungspolitik und Bevölkerungsentwicklung weltweit. Schwerpunkte sind dabei Deutschland, Europa und Nordamerika.
migration-info.de: Dokumente, Materialien, Daten und Grafiken
Migration
Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt verlassen ihre Heimat, um ihren Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort zu verlegen. Mehr als 150 Millionen Menschen weltweit leben als Migranten in einem Staat, der nicht ihre ursprüngliche Heimat ist. Dies entspricht etwa der doppelten Bevölkerungszahl der Bundesrepublik. Internationale Migration geht aus von Menschen, die ihre Familien zusammenbringen möchten, von hoch ebenso wie niedrig qualifizierten Arbeitsmigranten sowie von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingen. Einige wollen nur für kurze Zeit an einem fremden Ort bleiben, andere für mehrere Jahre oder gar den Rest ihres Lebens. Staaten haben immer wieder versucht, Migration durch Gesetze zu steuern. Dieses Themendossier beschäftigt sich umfassend mit den kontrovers diskutierten Themen Zuwanderung und Integration in Deutschland, es zeigt, wie das Zuwanderungs- und Asylrecht auf europäischer Ebene geregelt wird und bietet Daten, Fakten und Einschätzungen zu den globalen Trends im Migrationsgeschehen.
Weiterlesen: Bundeszentrale für politische Bildung - Migration

In Frankreich eröffnet 2007 ein Migrationsmuseum (PDF)
Das Nationale Zentrum der Geschichte der Einwanderung entsteht im "Porte
Dorée" in Paris, dem ehemaligen Museum der Afrikanischen und Ozeanischen
Künste.

Willkommen beim Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Impulse für die Integration ist für viele Menschen das Tor zur Bundesrepublik Deutschland. Es entscheidet über Asylanträge und Abschiebeschutz von Flüchtlingen. Aber auch nach der Aufnahme in Deutschland unterstützt das Bundesamt die Zuwanderer. So fördert und koordiniert es ihre sprachliche, soziale und gesellschaftliche Integration in Deutschland. Daneben hilft das Bundesamt bei der Verteilung jüdischer Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion und vermittelt Ausländern, die in ihre Heimat zurückkehren möchten, Informationen zur freiwilligen Rückkehrförderung.
Auf der Internetseite des Bereichs Migration & Qualifizierung des DGB Bildungswerk finden Sie Informationen, Fakten und Daten rund um das Thema Migration und Arbeitswelt. Wir qualifizieren Menschen, die sich in der Arbeitswelt zu Migration engagieren und etwas bewegen wollen.
migration-online
Die Zeitschrift MIGRATION erscheint vierteljährlich. Diese europäische Zeitschrift konzentriert sich auf Fragen internationaler Migration. Die Publikationen sind Resultate der Forschungen von erfahrenen Wissenschaftlern am Berliner Institut für Vergleichende Sozialforschung.
Die afrikanische Migration nach Europa
Gefährlicher Transit
Im Zeichen der Globalisierung und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich nimmt die Wanderungsbewegung über alle Grenzen zu. Das Mittelmeer gehört dabei als Barriere zwischen Afrika und Europa zu den Brennpunkten dieses Aufbruchs um jeden Preis. Auf zwei CDs dokumentiert der Deutschlandfunk die Migrationsströme von Süd nach Nord. Die erste CD handelt vom Aufbruch in Afrika. Deutschlandfunk-Reporter Rüdiger Maack erzählt Geschichten vom Weggehen. Seine Stationen: Mali, Senegal, Algerien und Marokko. Die Themen: Ängste, Hoffnungen, Strapazen. Die zweite CD enthält Geschichten vom Ankommen in Europa. Die Reporter schildern die Ankunft im Aufnahmelager von Lampedusa, das Leben in der Illegalität in Antwerpen, die Situation in Calais, das immer noch das Nadelöhr in Richtung Großbritannien ist. Schließlich das Abschiebegefängnis in Berlin-Köpenick. Schicksale zwischen Hoffnung und Ausweisung.

CD 1 Aufbruch in Afrika

1 Senegal: Aufbruch zwischen Hoffen und Bangen
2 Mali: Die Suche nach einem Platz auf der Ladefläche
3 Algerien: Das Geschäft der Schlepper
4 Algerien: Das Warten auf den richtigen Moment
5 Marokko: Sans Papiers und die Angst vor den Behörden
6 Marokko: Zwischen Wüste und Meer

CD 2 Ankunft in Europa

7 Lampedusa: Die Ankunft in Europa
8 Madrid: Die Hoffnung zu bleiben
9 Calais: Das Nadelöhr in Richtung Großbritannien
10 London: Das Netzwerk der Illegalen
11 Antwerpen: Der Preis der Illegalität
12 Berlin: Der ungewisse Status der Duldung
13 Berlin: Die Abschiebehaftanstalt Köpenick
14 Senegal: Rückkehr wider Willen
audire Shop: Gefährlicher Transit
Rita Süssmuth
Migration und Integration
Testfall für unsere Gesellschaft
2006 DTV
Die erfolgreiche Integration von Migranten ist ein Testfall auch für Deutschland. Sie ist eine zentrale Zukunftsfrage.
Das Migrationsphänomen wird vor dem Hintergrund der Globalisierung und des demografischen Wandels speziell auch in Deutschland dargestellt. Gründe, Formen und Langzeitfolgen der politischen Tabuisierung und aufschiebenden Behandlung werden behandelt, die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge werden beschrieben. Migration eröffnet Chancen für Migranten und Aufnahmeländer, vollzieht sich aber nicht konfliktfrei. Die Autorin analysiert die alten und neuen Antworten der Politik auf diese Fragen und setzt sich mit den bisherigen Erfolgen und Misserfolgen auseinander. Desweiteren werden zivilgesellschaftliche und kommunale Lösungsansätze in Deutschland vorgestellt, bei denen es bereits jetzt zum Teil ganz erstaunliche Erfolge gibt. Rita Süssmuth ist eine ausgewiesene Expertin in Zuwanderungsfragen. Sie arbeitet seit vielen Jahren auf der Bundes-, EU und UNO-Ebene zu dieser Herausforderung und Problematik. Es ist ihr Anliegen, tragfähige Lösungskonzepte für die Zukunft zu entwickeln.

Text + Kritik
Zeitschrift für Literatur
Herausgeber: Heinz L. Arnold
Sonderbd.9/06 Literatur und Migration
2006 Edition Text und Kritik

Der TEXT+KRITIK Sonderband erörtert das Verhältnis von Literatur und Migration unter vielfältigen Aspekten. Im Mittelpunkt stehen Prosa, Lyrik, Dramatik und Essayistik zeitgenössischer Autoren wie Dimitré Dinev, Vladimir Kaminer, Terézia Mora, Herta Müller, Emine Sevgi Özdamar, Yoko Tawada und Feridun Zaimog¡lu.Weitere Studien untersuchen die Bedeutung des Themas Migration in Werken von W.G. Sebald, Anna Mitgutsch, Wilhelm Raabe, Franz Kafka und Joseph Roth. Darüber hinaus enthält der Band biografische Kurzporträts sowie eine Bibliografie und ist somit auch ein hilfreiches Nachschlagewerk.
TEXT+KRITIK Sonderband Literatur und Migration