Aufbegehren in Israel

Von Christian Wagner · 02.08.2011
Noch Ende März hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu damit gepunktet, dass die arabische Welt von "Erdbeben" erschüttert werde, während Israel stabil und zufrieden sei. Jetzt wird der Premier Lügen gestraft, denn auch in Israel gibt es massive Proteste gegen die Regierung.
In dem provozierenden Musikvideo "Bibi - Shake", aus dem Ausschnitte jetzt sogar im israelischen Fernsehen gezeigt werden, werden Redeausschnitte von Netanjahu mit den Protestrufen der Demonstranten kombiniert, die Veränderungen und mehr soziale Gerechtigkeit fordern.

Prägendes Symbol der Proteste sind die Zelte auf den Boulevards von Tel Aviv oder anderen israelischen Städten. Sie stehen für den Unmut über fehlende oder zu teure Wohnungen. Rückenwind kommt auch von Amos Oz. Der israelische Bestseller-Autor hat auf der Titelseite der Zeitung Haaretz mit seinem Artikel "Wir sind Brüder" viel Platz für seine Abrechnung mit der Regierung Netanjahu erhalten. Oz schreibt:

"Der Protest hat seinen Ursprung im Desinteresse der Regierung am Wohlergehen des Volkes, an der Benachteiligung der arbeitenden Bevölkerung und darin, dass die Solidarität mit den Schwächeren der Gesellschaft mit Füßen getreten wurde."

Oz geht aber noch einen Schritt weiter als die Demonstranten. Er fordert weniger Geld für die israelische Siedlungspolitik und die ultraorthodoxen Thora-Schulen, und er fordert die Regierung auf, den reichen Unternehmer-Clans in den Arm zu fallen, die sich auf Kosten der Armen und der Mittelklasse weiter bereicherten.

Damit gibt Oz den Protesten einen linken Anstrich, den die Organisatoren gerne vermeiden. Sie verweisen auf den identitätsstiftenden Charakter ihrer Forderungen. Das übliche Schubladen-Denken könnte jetzt überwunden werden, meint der Popmusiker Aviv Geffen:

"Im Moment ist es am wichtigsten, nicht geteilt zu ein. Sonst war immer einer rechts, der andere links, einer orientalisch, einer europäisch, das muss jetzt zu Ende sein."

Die jetzt entstandene Protestbewegung legt Wert darauf, dass sie eine Bewegung des gesamten Volkes sei und sich weder dem linken noch dem rechten Spektrum zuordnen lasse. Auch die Anhänger von Netanjahus Likkud-Partei sollen mit demonstrieren können. Einige von diesen vermuten allerdings, dass die jetzt entstandene Bewegung nur das Ziel habe, Netanjahu aus dem Amt zu verdrängen.