Auf der Covid-19-Intensivstation

    Krankenpflege als Balanceakt

    Eine Krankenschwester legt auf der Isolierstation für Coronavirus-Behandlungen ihre Schutzkleidung an bevor sie ein Patientenzimmer betritt.
    Vorbereitung ist alles: Bei Covid-19-Erkrankten muss sich das Pflegepersonal besonders gut schützen. © picture alliance/dpa-Zentralbild/ZB/Jens Büttner
    Von Fachschwester Meyer · 01.04.2020
    Die Fachkraft für Onkologie, Schwester Meyer, arbeitet als neue Kollegin auf einer Covid-19-Intensivstation in Süddeutschland. Die Arbeit ist belastend und stellt sie vor neue Herausforderungen. Ein Fehler kann Patienten das Leben kosten.
    Ich möchte Ihnen von meiner ersten Schicht berichten. Ich bin mega erschöpft. Ich weiß nicht, wie die Kollegen das irgendwo auf der Welt – Italien, New York, Frankreich, Spanien – mehr als zwölf Stunden, mehr als acht Stunden am Tag aushalten. Unsere Station ist voll belegt, die andere Intensivstation auch. Es werden im Haus noch weitere Intensivstationen geschaffen. Wir haben noch Schutzkittel. FFP-3-Masken, die wirklich schützen, sind knapp. FFP-2-Masken haben wir aber noch, Schutzvisiere sind knapp, dann gibt es auch Schutzbrillen.

    Dieser Beitrag ist Teil unseres Podcasts "Coronavirus – Alltag einer Pandemie".

    Aus dem Podcast: Reichen die Kräfte?

    Da hatte ich ein Problem, weil ich eine Lesebrille zum Lesen brauche und ich die unter die Schutzbrille aufgesetzt habe, aber in der Ferne nichts gesehen habe. Also war mir die ersten vier Stunden nur schwindelig gewesen. Vier Stunden ist man drinnen, dann schleust man sich aus und macht eine Pause. Mir war nur schwindelig, weil ich in der Weite nichts mehr gesehen habe, beim nächsten Mal habe ich ohne diese Brille gearbeitet. In der Nähe war es wieder ziemlich anstrengend, diese ganzen kleine Zahlen und Zeilen zu finden.

    Patienten von Jung bis Alt

    Ich hoffe, ich bekomme irgendwann, vielleicht morgen oder in der nächsten Zeit, ein Visier, so dass ich meine Lesebrille da gescheit drunter auf der Nasenspitze tragen und darüber hinausgucken kann. Es ist wahnsinnig schwierig, unter diesen Masken zu arbeiten. Ich bin froh, dass wir sie haben, dass wir geschützt sind, aber desto längere Zeit vergeht, hat man wirklich am Ende der Schicht das Gefühl, man kollabiert gleich und muss selber danach irgendwie an den Sauerstoff angeschlossen werden. Und das geht nicht nur mir als Neuling so, sondern allen. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als unbeschwert atmen zu können. Man sollte jeden Atemzug einfach glücklich genießen, das ist der Wahnsinn.
    Wir haben von Jung bis Alt alles bei uns auf Station liegen. Und mit Jungen meine ich: unter 30 und ohne Vorerkrankungen. Das ist schon sehr belastend, das anzuschauen. Jetzt haben wir sie alle durch die Schicht gekriegt. Es wäre schön, wenn das so bleiben würde beziehungsweise, wenn es den Leuten bald sogar besser gehen würde, das wäre toll.

    Jeder Schritt muss überlegt sein

    Es ist der reinste Gerätepark. Ich habe heute auch schon Einweisungen gekriegt in alle Geräte, die es gibt. Und ich habe das Glück, dass sich einige schon kennen, und dass auch immer erfahrene Leute da sind und auch kommen, wenn sie hören, da ist Alarm und ich bin allein. Ich bin auch sehr gut eingearbeitet worden. Doch von einem erfahrenen Kollegen, der lange Intensiverfahrungen hat.
    Es ist sehr interessant, und man muss sich jeden Schritt und jeden Arbeitsgang überlegen. Es herrscht ein ganz anderes Tempo als auf der Allgemeinstation. Die Allgemeinstationen ist der Sprint, und das ist eher das langsame Balancieren auf dem Drahtseil. Weil eine unbedachte Handlung einen Menschen ins Jenseits befördern kann. Das ist schon respekteinflößend.
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