Auf der Bühne nur Meer

Von Bernhard Doppler · 08.08.2007
Die Neuinszenierung von Giacchino Rossinis "Otello" bei den Rossini-Festspiele in Pesaro erfüllte leider an vielen Stellen nicht die Erwartungen. Oft sehr gedehnt, melancholisch breit – aber meist ohne innere Spannung wurde musiziert.
Für den umstrittenen Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, Renato Palumbo, mag es ein Heimspiel gewesen sein. Schließlich hat Palumbo in Pesaro, Rossinis Bayreuth, bereits drei Mal als Dirigent vergessene Rossini-Oper aus der Taufe gehoben und mit dem Orchester des Teatro Comunale di Bologna hatte er diesmal auch einen erprobten, vor allem bei den Bläsern wunderschönen Klangkörper zur Verfügung.

Doch von der musikalischen Leitung her erfüllte diese als Koproduktion mit der Deutschen Oper Berlin geplante Neuinszenierung von Giacchino Rossinis "Otello" leider an vielen Stellen nicht die Erwartungen; oft sehr gedehnt, melancholisch breit – aber meist ohne innere Spannung wurde musiziert, im Tempo nicht immer den Sängern hilfreich, manchmal etwas unkordiniert. Sicherlich ist Rossinis "Otello" ein Sonderfall: vier Tenöre (darunter drei in den Hauptrollen Otello, Jago und Rodrigo) buhlen im Sänger-Wettkampf um Desdemona, in meist mörderisch schweren Partien, wobei vor allem die Rolle des als Ehemann für Desdemona vorgesehenen Rodrigo aufgewertet ist.

Seine Arie unmittelbar nach der Pause "Ascolta me" funkelt in Verzierungen und Spitzentönen, ist mir noch heute im Ohr, als vor 20 Jahren, also in den "goldenen" glorreichen Anfangsjahren des Festivals, William Matteuzzi darin brillierte. Diesmal zieht vor allem der in Pesaro zum Star gewordene Juan Diego Florez das Publikum an und bringt es zu vielen Minuten langen Applaus. Verbindungslinien zum "alten" Pesaro, das in den 90er-Jahren den Belcanto-Stil der Tenöre revolutionierte, zeigen auch die US-Tenöre Gregory Kunde als Otello und Chris Merritt als Jago (vor 20 Jahren war er in Pesaro Otello); Merritt bellte seine Partie fast heldisch, – aber bei Jago ist das nicht fehl am Platz. Ein Wunder an Ausdruck aber die junge Russin Olga Peretyatko als Desdemona: die Frau, um die sich alles dreht!

Hält man Shakespeares Otello gegen Rossinis Oper, ist sie eine große Seltsamkeit. Wäre nicht der tragische Schluss – es gab übrigens auch eine Fassung mit Happy End für Desdemona – könnte es auch eine Geschichte verhinderte Ehen oder heimlicher Hochzeiten sein, wie sie die opera buffa liebte, und die Musik - da mag Renato Palumbo noch so dezent verhalten musizieren – bleibt abstrakt und gibt über die Stimmung keinen Hinweis.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum Regisseur Giancarlo Del Monaco auf der Bühne nur Meer zeigte: Wolken und Meereswellentapeten, aus denen sich neun Türen – ebenfalls im Meerestapetenmuster – herausschieben lassen, zwischen und hinter denen die Intrigen gesponnen wurden. In manchen Momenten wurde man an surreale Bilder von Margeritte erinnert.

Del Monaco ließ verlauten, dass es sich bei Rossinis Oper um die "mediterrane Oper" schlechthin handle, doch sehr tief führte dieser Ansatz nicht. So sehr man vor allem Peretvatko und Florez bejubelte, Del Monaco musste sich mehrere Buhs gefallen lassen.