Auf den Spuren Jack Kerouacs

24.02.2011
Höchst vergnügliches Roman-Debüt von "Titanic"-Autor Gunnar Homann: Ein junger Mann aus der deutschen Provinz reist einmal quer durch die USA - und entdeckt dabei die Vorteile der bürgerlichen Kleinfamilie.
Schöne Orte darf man nicht direkt ansteuern, weiß der junge Held dieses "Unterwegsromans". Der direkte Weg, das ist schließlich nur etwas für alte Leute – und für Pornografen. Viktor Hoffmann ist 21 Jahre alt, kommt aus der deutschen Provinz, aus einem Ort mit dem sprechenden Namen Grabstetten – und reist auf den Spuren Jack Kerouacs quer durch die USA nach Kalifornien. Natürlich hat er nur One Way gebucht, denn Retourtickets, auch da weiß er Bescheid, sind was für Leute, die mit 40 auf die Idee kommen, "irgendwas mit den Händen" zu machen oder in Tanz-kursen "gesellschaftlichen Selbstmord" begehen.

Wir haben es also mit einem Besserwisser zu tun, glücklicherweise mit einem von der witzigen Sorte. Die Pointen scheinen dem Ich-Erzähler nur so zuzufliegen. Kein Wunder, denn der Autor von "All exclusive" ist Gunnar Homann, der seit 15 Jahren für die "Titanic" schreibt und außerdem Redakteur bei "Outdoor" ist. Dass er vermutlich lange an seinem Debüt gefeilt hat, verrät erst der letzte Teil des Romans, der als höchst vergnügliche Road Novel beginnt und schließlich im Hafen einer zum Scheitern verurteilten Kleinfamilie endet.

Im Greyhound-Bus von New York nach Charlotte, North Carolina, lernt Viktor einen schwarzen Sergeant der US-Armee kennen, der ihn mit jener "special lady" bekannt macht, die fortan seine Geschicke bestimmen wird: Casbah Feininger, eine deutsche Soziologiestudentin Anfang Zwanzig, die Material für ihre Magisterarbeit über das "Lebensplanungsverhalten der US-amerikanischen Unterschicht" sammelt. Sie ist das genaue Gegenteil von Viktor, sehr zielstrebig, sehr tough, eine "Schnepfe" eben, aber "eine sehr gut aussehende Schnepfe". Der Held nennt sie nur "Frau Feininger", so viel Abstand muss sein, selbst als er längst ihren Reizen erlegen ist.

Viktor hat keine anderen Pläne, als irgendwie nach Kaliforniern zu kommen. Also nimmt er Frau Feiningers Angebot an, als zahlender Fahr-gast im Leihwagen des Juristentöchterchens mitzureisen. Gemeinsam ge-raten sie nach Colorado Springs, eine Tramperin vermittelt ihnen ein Appartement. Pat, der Mieter, ist gerade mit dem Motorrad auf Tour, praktischerweise können sie dann auch gleich seine Orchidee pflegen. Die fünf Tafeln Haschisch, die Viktor im Bad des Bikers findet, während er nach einer Drogenparty kotzend über der Kloschüssel hängt, spielen für den weiteren Handlungsverlauf eine tragende Rolle.

Das ungleiche Pärchen, das schließlich auf getrennten Wegen bis nach San Francisco gelangt, ist die eigentliche Findung des Romans. Mit Jack Kero-uacs auch sprachlich ungleich wilderem Amerikaroman "Unterwegs" hat er so wenig zu tun wie die Orchidee im Appartement des Bikers mit der freien Natur. "All exclusive" ist eine Mittelstandsposse, den größten Teil der Strecke schwungvoll und amüsant erzählt. Am Ende aber mündet sie recht kleinlaut in eine Moral, die Eltern gern ihren Kindern verkünden: Auch du wirst irgendwann über deine Jugendträume lachen. Das mag wahr sein. Aber könnte man sich nicht was Besseres auszudenken?

Besprochen von Meike Feßmann

Gunnar Homann: All exclusive. Ein Unterwegsroman
DuMont Buchverlag, Köln 2011
144 Seiten, 14,99 Euro