Auf den Hund gekommen

Von Anne Boschan · 19.09.2009
Hunde in der Kirche und beim Gottesdienst sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. In vielen Großstädten bieten Gemeinden Tier-Gottesdienste an. Die Aktion Kirche und Mensch geht sogar noch weiter und fordert ein mutigeres Eintreten der Kirche für Tiere.
Sonntagmorgen, 10.30 Uhr, Hamburg-Langenfelde, die Kirche "Zum guten Hirten". Ein Bau aus den Siebzigerjahren, schlicht mit weißen Wänden, Schieferboden und bunten Glasfenstern. Langsam findet sich die Gemeinde zum Gottesdienst ein, die schwarzen Bankreihen füllen sich. Platz nehmen Mensch und Tier. Zahlreiche ältere Damen und Herren, junge Konfirmanden, mehrere Pärchen, ein Mann mit Kinderwagen. Ungefähr 50 Personen und: 15 Hunde. Pastor Holger Janke begrüßt Herrchen, Frauchen und die Vierbeiner mit einem freundlichen Lächeln.

Janke: "Ich weiß von vielen sie sind aus der Kirche ausgetreten, weil sie ganz enttäuscht sind, weil sie mit dem Tier draußen vor der Kirchtür stehen mussten. Hier sind sie jetzt wieder dabei, nähern sich ein bisschen an, um auch Menschen zu zeigen, Kirche kann auch anders sein. Also nicht so exklusiv, sondern alle sind hier von Gott angesprochen. wir ziehen einfach den Kreis oder den Horizont ein bisschen größer und nehmen die Tiere mit rein in den Schöpfungsplan."

Pastor Janke, 1,90 Meter groß und hager, die hellbraunen Haare fallen ihm lässig ins Gesicht. Er rückt seine kleine Brille mit silbernem Rand zurecht, schaut einem schwarzen Schäferhund hinterher, der in Richtung Altar läuft.

Janke: "Manche nehmen auch mal ne Katze mit, aber das ist eher selten. Was wir oft haben, wenn Kindergartenkinder kommen, Meerschweinchen, Hamster ab und zu mal ein verrückter Konfirmand, will auch die Gemeinde schocken und kommt mit ner Ratte und lässt sie dann auch auf der Schulter laufen. Auf dem Dorf kenn ich das, da sind auch teilweise Schafe und Hühner. Wir machen das hier ganz normal, jeder nimmt das mit was er hat, kleine und große Tiere und dementsprechend feiern wir hier zusammen. Aber die größte Klientel sind die Zweibeiner."

Und Zweibeiner wollen begrüßt werden. Der Pastor gibt Ingeborg Reif die Hand. Die zierliche Frau ist für diesen Tiergottesdienst extra aus Kiel angereist – ohne Tier. Sie ist Mitglied bei Akut, der Aktion Kirche und Tiere.

Ingeborg Reif aus Kiel: "Akut steht dafür, dass gerade wir Christen für die Tiere einstehen. Wenn nicht die Christen wer soll dann für die Tiere eintreten. Das Akut in der Kirche aufsteht für die Tiere, das die Kirche geöffnet wird für die Tiere und das natürlich auch nach außen hin zeigt."

Ingeborg Reif setzt sich neben drei ältere Damen. Im vorbeigehen streicht sie einem großen Kampfhund sanft über den Kopf. Die anderen 14 Hunde liegen auf dem Schieferboden neben ihren Herrchen und dösen vor sich hin. Manche an der Leine, andere nicht.

Pastor Janke beginnt mit seiner Predigt. Er spricht von Weitsichtigkeit, Rücksichtnahme und fordert: Tut den Mund auf für die Stummen. In den hinteren Reihen hört man ein leises Knurren, zwei Hunde fangen an zu spielen, balgen und wedeln mit dem Schwanz.

Beim nächsten Lied ist wieder Ruhe eingekehrt. Die Hunde dösen, die Augen sind zu, die Ohren gespitzt. Im Wesentlichen findet hier ein menschlicher Gottesdienst mit Hundebegleitung statt.

Janke: "Ein Theologe würde sagen: Soviel anders ist er gar nicht. Eine Grundbedingung sind andere Verhaltensregeln, wir können hier nicht aufstehen zum Gebet oder zu den Lesungen, weil das die Tiere nicht verstehen, das heißt wir setzen uns hin und mit der Ruhe die dann einzieht kommen auch die Tiere zur Ruhe."

Zum Ende des Gottesdienstes spricht die Gemeinde das Glaubensbekenntnis. Auch hier sind die Tiere mit erwähnt. So heißt es: "Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben für alle Geschöpfe, die Gott vertrauen – Menschen wie Tiere."


Der Gottesdienst ist zu Ende. Die Hunde schütteln und strecken sich und animieren ihre Herrchen zur Bewegung. Eine ältere Dame verteilt noch schnell die restlichen Leckerlis aus ihrer Manteltasche an alle umstehenden Hunde.

Gisela St.: "”Wir hatten Sorge, dass die Tiere sich daneben benehmen könnten, die haben ja keinen Religionsunterricht gekriegt. Die ganze Bagage hat sich anständig benommen. Heute war das wunderbar. Das war endlich mal ein Gottesdienst, der nicht ständig den Menschen in den Mittelpunkt stellt.""

Irmgard L. : " « Haben Sie schon mal einen Gottesdienst erlebt, wo Hunde rumlaufen? Da war Leben dabei. Plötzlich hatte man einen größeren Hund an seiner Seite. Das erlebt man ja auch nicht jeden Tag, das hat mich nicht gestört, die waren ja auch ganz leise. Einer hat gebellt, das gehört dazu"."

Edith K. : "”Kann man schlecht beschreiben ne, ist vielleicht mehr Leben würde ich sagen. Ach von mir aus können die Tiere immer dabei sein.""

Die drei Damen sind Gemeindemitglieder in Langenfelde. Sie haben selbst keine Tiere. Nun ziehen sich ihre beigen Sommermäntel über und verlassen die Kirche, in einer Reihe, eingehakt und weiter tuschelnd. Ein Collie und der schwarze Schäferhund rennen hinterher. Andreas Krüger ist froh, dass sein Hund jetzt wieder draußen sein kann und nicht mehr in der Nähe des Altars in der Kirche herumschnuppert.

Krüger: "Heute hat er eigentlich nur seine Runden gedreht und vorne natürlich, dass ihn jeder
sieht. Da bin ich auch immer froh, dass er nicht das Bein hebt."

Pastor Janke lächelt und scheint auch froh. Er räumt noch schnell die Wassernäpfe am Eingang weg, nimmt seinen Hund an die Leine und verlässt die Kirche – zufrieden wie es scheint.

Janke: "Es geht nicht darum ein vegetarisches Christentum zu proklamieren, sondern es geht darum, dass Tier ist ein Schwestergeschöpf von Gott. Und wie geh ich nun mit diesem Tier um, das mir eigentlich von Gott was erzählen kann."