Auf dem Weg zur akademischen Unterschicht?

Von Herfried Münkler · 11.02.2007
Von der eigentlichen Überraschung im Exzellenzwettbewerb der Universitäten wird selten gesprochen: Wie wenig Geld eigentlich verteilt wird und wie viel öffentliche Aufmerksamkeit damit mobilisiert worden ist. Die 380 Millionen Euro jährlich für Exzellenz entsprechen gerade 1,5 Prozent der pro Jahr in die deutschen Hochschulen fließenden Mittel. Für 2006 wäre das nicht einmal die Inflationsrate gewesen. Haben wir es also bloß mit einem Medienhype zu tun?
Richtig ist, dass konkurrenzielle Verfahren größere Aufmerksamkeit mobilisieren, als wenn eine doppelt oder dreifach so große Summe zu gleichen Teilen an alle Anspruchsberechtigten verteilt würde. Das hat mit der sportiven Komponente des Wettbewerbs zu tun, vor allem aber damit, dass auf diese Weise mehr als nur Geld verteilt wird: Sobald Anspruchsberechtigte in Wettkämpfer verwandelt werden, geht es auch um Prestige und Reputation. Wer in einem konkurrenziellen Verfahren Erfolg hat, erringt vor allem Ehre. Und diese Ehre kann, wie man aus dem Sport weiß, viel mehr wert sein als das unmittelbar gewonnene Geld. Das zeigt sich jetzt auch im Exzellenzwettbewerb der Universitäten.

Wer auch immer die entscheidende Idee zu dieser Art der Mittelvergabe gehabt hat – er oder sie ist politisch zu Höherem berufen. Unter Einsatz begrenzter Mittel sind schon jetzt maximale Effekte erzielt worden. Und die Wirkung des Elitewettbewerbs dürfte sich in den nächsten Jahren noch steigern – nicht zuletzt dadurch, dass die so ausgezeichneten Elite-Universitäten das errungene Prestige nutzen können, um weitere Finanzmittel an sich zu ziehen und dadurch den Abstand gegenüber den nicht ausgezeichneten Universitäten weiter zu vergrößern. So ziehen sie leistungsstarke Wissenschaftler an, mit denen sie ihre Reputation weiter vergrößern, während die anderen immer weiter zurückfallen. Ob es tatsächlich so kommt, wird man sehen.

Mit dem Exzellenzwettbewerb sei das Ende der hochschulpolitischen Gleichmacherei eingeleitet worden, sagen die einen; die Auslobung von Elite-Universitäten sei das Ende einer jahrhundertealten Gleichheit der deutschen Universitäten, meinen die anderen. Beide haben Unrecht. Universitäre Gleichmacherei hat es in Deutschland schon wegen der föderalen Struktur nicht gegeben. Die bayerische Hochschulpolitik war immer anders als die in Nordrhein-Westfalen. Und dass die deutschen Universitäten in der Vergangenheit gleich gewesen seien, meint nur, wer sie mit tränengetrübten Augen betrachtet. Im 18. Jahrhundert waren Halle und Göttingen gleicher als die anderen, im 19. und frühen 20. Jahrhundert war es die Berliner Universität, und in Bayern standen während der letzten Jahrzehnte Augsburg, Würzburg oder Bamberg nie auf einer Stufe mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Was die hochschulpolitischen Reforminitiativen der 1970er Jahre von der des Exzellenzwettbewerbs jedoch fundamental unterscheidet, war die Dominanz strukturpolitischer Erwägungen, die einen Boom von Universitätsgründungen vor allem im Ruhr- und Zonenrandgebiet zur Folge hatte. Würde man dieser Intention heute folgen, müsste man zwischen Görlitz und Anklam eine Universität an die andere reihen. Tatsächlich kämpfen die Universitäten Greifswald und Frankfurt/Oder aber ums Überleben.

Die Umstellung von Strukturpolitik auf internationale Sichtbarkeit ist nicht das Ende von Gleichmacherei, sondern das des hochschulpolitischen Provinzialismus. Das war im vereinten Deutschland seit langem überfällig. Und dass die Universitäten - um privates Kapital einwerben zu können, Prestige brauchen - wusste man eigentlich auch seit langem. Der Elitewettbewerb wird einigen von ihnen dieses Prestige verschaffen; damit wirtschaften werden sie selbst müssen.

Aber was geschieht mit dem universitären Rest, der im konkurrenziellen Verfahren der Mittelvergabe kein zusätzliches Prestige gewonnen hat? Es wird mit Sicherheit zu einer erheblich größeren Spreizung der Universitäten nach Ansehen und Reputation kommen. Vermutlich werden dabei vor allem jene Universitäten ins Hintertreffen geraten, die in den 1970ern unter strukturpolitischen Aspekten gegründet wurden. Das hat einen einfachen Grund: Um im Exzellenzwettbewerb vorne dabei zu sein, braucht man ein gut besetztes Umfeld außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Die gibt es in der Provinz nicht, und deswegen haben die dortigen Universitäten kaum eine Chance.

Ob sie deswegen zur universitären Unterschicht verkommen, wie manche Einrichtungen im Mittleren Westen der USA, hängt jedoch von ihnen selbst ab. Fehlender Glanz lässt sich durch qualitativ gute Lehre, vor allem durch eine intensive Betreuung ausgleichen. Doch das bedarf erheblicher Anstrengungen. Ob die angesichts im Gang befindlicher Prestigespreizung bei den Nachzüglern aufzubringen sein wird, ist fraglich. Enttäuschung, Missmut und Schlendrian sind Gesellen, die sich schnell finden und dann gemeinsam auftreten. Sie auseinander gerissen zu haben, kann schon jetzt an einigen Orten als der große Erfolg der Exzellenzinitiative gefeiert werden. Man muss aber damit rechnen, dass die vertriebenen Gesellen sich andernorts wieder treffen und dauerhaft sesshaft werden.

Herfried Münkler, geboren 1951 in Friedberg, ist Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Er ist mit zahlreichen Studien zur politischen Ideengeschichte und zur Theorie des Krieges hervorgetreten. Nicht wenige davon sind mittlerweile Standardwerke, so etwa "Machiavelli" (1982) und "Gewalt und Ordnung" (1992). Kürzlich erschienen Münklers jüngste Bücher "Die neuen Kriege" und "Der neue Golfkrieg".
Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der HU Berlin
Herfried Münkler© HU Berlin