Auf dem Trockenen

In Lima wird das Wasser knapp

Nebel als Wasserquelle - ein Experiment in Lima
Nebel als Wasserquelle - ein Experiment in Lima © Andreas Diel
Von Anne Herrberg · 22.03.2016
Wasser ist billig in Lima und wird verschwendet. In den Randregionen der Stadt allerdings, dort wo die Stadtwerke nicht hinkommen, kostet es viel Geld und ist häufig stark verschmutzt. Deshalb werden die Bewohner erfinderisch.
Schwerfällig keucht der Tanklaster die steilen Hänge von Villa Lourdes hinauf, Erdstraßen. Hier, in den kahlen Hügeln rund um Perus Hauptstadt gibt es keinen Asphalt, keine Kanalisation und genauso wenig gibt es Wasserleitungen. Es gibt nur Dutzende bunt gestrichene Holzhütten, die Jahr für Jahr höher den Berg hinaufklettern. In einer wohnt Doña Teresa Quipe, wie viele hier ein Binnenflüchtling - in den 90er Jahren floh sie vor dem Terror des Bürgerkrieges aus ihrer Provinz Ayacucho
"Hier gibt es kein fließendes Wasser. Wir haben Zisternen. Das Wasser bringt der Tanklaster einmal in der Woche. 1000 Liter brauche ich etwa, das kostet mich inzwischen 20 Soles in der Woche, etwa sieben Euro. Das ist fast zehnmal soviel, wie die Preise unten in der Stadt. Die sind ans System angeschlossen, wir nicht."

"El Niño" lässt das Klima verrückt spielen

Wasser ist ein knappes Gut in Lima, nicht nur in den informellen Siedlungen an den Hängen. Es regnet im Schnitt 13 Millimeter pro Jahr. Die peruanische Hauptstadt liegt in der Wüste - und das Wasser muss aus Staubecken in den Anden herantransportiert werden, durch Zuflüsse und künstliche Kanäle. Danilo Vergara Serrano ist Ingenieur. Er steht vor einer Karte in der Zentrale der Stadtwerke Sedapal und erklärt die Wasserstraßen. Er hat allerdings tiefe Sorgenfalten auf der Stirn.
"Wir haben ein Problem aufgrund von El Niño."
Das Wetterphänomen El Niño lässt in diesem Jahr das Klima verrückt spielen - es treibt warme Wassermassen nach Südamerika. In manchen Regionen kommt es zu Sturzregen und Überschwemmungen. Die Andenregion leidet dagegen unter Dürre. Es ist das Extrem eines allgemein spürbaren Klimawandels, der Gletscher schmelzen lässt, die Lagunen und Flüsse speisen. Lagunen und Flüsse, die sowohl Perus Hauptenergiequelle - Wasserkraftwerke - betreiben. Und die rund neun Millionen Bewohner der Wüstenmetropole Lima versorgen.

250 Liter pro Tag pro Person

Perus Hauptstadt boomt und blüht. Verkehrsinseln, Parks und Golfplätze werden besprenkelt. Straßen mit dem Gartenschlauch abgespritzt und unter voll aufgedrehtem Wasserhahn abgewaschen. Die Limeños lebten nach wie vor, als gebe es keinen Morgen, sagt Vergara Serrano:
"Der Wasserverbrauch liegt bei 250 Litern pro Person und Tag, das ist doppelt so viel wie bei euch in Deutschland. Zum einen ist Wasser hier so billig, das niemand daran spart. Zum anderen ist die Infrastruktur nicht mehr die neuste, da versickert einiges und es gibt Wasserräuber, die es heimlich abzwacken."
Oft lande genau dieses geraubte Wasser in den Tanklastern, welche es dann zu Wucherpreisen an die Bewohner aus den informellen Viertel der Hauptstadt weiterverkauften, sagt Abel Cruz. Der Sozialarbeiter der NGO "Peruaner ohne Wasser" arbeitet in den Hügeln Limas:
"Die Stadtwerke kommen vielleicht nie hier hoch, die Viertel wachsen viel zu schnell, die kommen nicht hinterher. Davon profitiert eine ganze Branche: Die Bewohner müssen teuer Wasser kaufen, das nicht sauber ist, Krankheitskeime in sich trägt. Sie müssen es abkochen, das kostet extra Gas, beziehungsweise Tabletten zum Desinfizieren kaufen. Und der Staat macht nichts, um das Wasserproblem hier zu lösen."

Wassersparen ist unpopulär

Abel dagegen hatte eine Idee: Deutsche Wissenschaftler hatten ihn darauf gebracht. Nebelfänger - Das sind Netze, die den Nebel abfangen, der morgens von Limas Pazifikküste die Hügel hinaufkriecht.
"Die Nebelchwaden ziehen herauf, beladen mit Tausenden winzig kleinen Wasserpartikeln. Diese Partikel bleiben an den feinen Netzen hängen, kondensieren zu dickeren Tropfen und schließlich zu Wasser, das wir dann in Tanks einfangen."
Doña Teresita bewässert so jetzt ihren Gemüsegarten und ein Feld mit Kartoffeln, Mais und Weizen.
"Für uns ist das ein Geschenk der Pachamama, früher war hier alles Trocken, Wüste, die Nebelfänger geben uns Wasser, wir geben es den Pflanzen, und die Pflanzen geben uns Leben."
"Bei der Bewässerung von Feldern und öffentlichen Parks – da wird schon zurückgefahren. Mit Industriebetrieben haben wir Absprachen getroffen. Wir stellen ihnen einige Stunden nachts das Wasser ab."
Doch solche Maßnahmen kommen in Perus bevölkerungsreichster Region natürlich nicht gut an. Vor allem nicht im Wahljahr 2016.
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