"Attacke auf den Finanzausgleich"

Jens Böhrnsen im Gespräch mit Nana Brink |
Der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen hat die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) am Länderfinanzausgleich zurückgewiesen. Der Länderfinanzausgleich entspreche dem Grundgesetz und sei "ein konstitutives Element unseres Föderalismus", sagte der SPD-Politiker.
Nana Brink: Wenn’s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf, auch die Parteifreundschaft. Bayerns Ministerpräsident hat den Länderfinanzausgleich infrage gestellt und damit auch seine Parteikollegen brüskiert. Die Balance beim Länderfinanzausgleich sei in Gefahr, tönte der CSU-Regierungschef.

Und seine Begründung: 2009 werde es nur noch drei Geberländer geben, sein Bayern natürlich, Hessen und Baden-Württemberg. Insgesamt sieben Milliarden Euro zahlen die drei Länder in den Ausgleichstopf. Aus diesem Topf bekommt zum Beispiel Bremen seit 1970 die eine oder andere Million. Und wir sind jetzt verbunden mit Jens Böhrnsen, Präsident des Senats und SPD-Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen. Schönen guten Morgen, Herr Böhrnsen!

Jens Böhrnsen: Guten Morgen!

Brink: Ist der Ärger des bayrischen Ministerpräsidenten nicht verständlich, schließlich zahlt Bayern drei Milliarden und Bremen hält die Hand auf?

Böhrnsen: Es wird Sie nicht überraschend dass ich den Ärger von Horst Seehofer überhaupt nicht verstehen kann. Ich könnte ja zunächst darauf hinweisen, dass Bayern fast 26 Jahre aus dem Finanzausgleich Zahlungen erhalten hat und Bremen viele Jahre gezahlt hat, jetzt ist es umgekehrt. Aber viel wichtiger ist, dass das eine Attacke auf den Finanzausgleich ist, die man nur als pure Polemik bezeichnen kann.

Wer so fundamental den Finanzausgleich angreift, der will das dahinter liegende Prinzip nicht wahrhaben, und das ist das der Solidarität unter den Bundesländern, dass nämlich, wie es das Grundgesetz sagt, der Finanzausgleich dazu beitragen soll, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder anzugleichen. Und das ist ein konstitutives Element unseres Föderalismus, und deswegen ist es völlig falsch, den Finanzausgleich so zu attackieren. Und diese Attacke wird auch keinen Erfolg haben.

Brink: Lassen Sie uns trotzdem etwas ins Detail gehen und nachfragen: Bremen führt ja die Schuldenliste in Deutschland an, 13,4 Milliarden, jeder Bremer ist statistisch mit über 23.000 Euro verschuldet, das ist absolut spitze, gefolgt von Berlin. Dazu haben Sie ja über eine Klage auch beim Bundesverfassungsgericht acht Milliarden Euro Sondermittel eben auch erstritten, die Schulden sind aber trotzdem gestiegen. Stimmt denn da die Balance beim Länderfinanzausgleich wirklich noch?

Böhrnsen: Das ist nicht in erster Linie ein Problem des Länderfinanzausgleichs. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Bremen Anfang der 90er-Jahre attestiert, dass Bremen sich in einer unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage befindet, das heißt eine Haushaltsnotlage, die nicht durch Entscheidungen der Politik herbeigeführt worden ist, sondern die zum Beispiel darauf zurückzuführen ist, dass unsere starke Wirtschaftskraft – wir sind das Bundesland, das an zweiter Stelle steht, wenn man die Wirtschaftskraft pro Kopf der Einwohner vergleicht –, dass sich diese Wirtschaftskraft allerdings nicht widerspiegelt in unseren Steuereinnahmen. Das ist der wahre Grund. Und natürlich, wenn man einmal Schulden hat, dann gibt es erhebliche Zinszahlungen, und deswegen muss man an den Kern der Geschichte herangehen, wie die Föderalismuskommission II es sich vorgenommen hatte, aber am Ende nicht endgültig gelöst hat, man muss die Altschulden beseitigen.

Brink: Aber Sie sollten ja das Geld benutzen, um eben die Schulden abzubauen. Wirtschaftet Bremen denn so schlecht?

Böhrnsen: Sie müssen natürlich auch darauf schauen, wie entwickeln sich die Einnahmen in Deutschland, wenn Sie Steuersenkungen machen und die Einnahmebasis erodiert, was nicht nur ein Problem von Bremen ist – Sie können bundesweit sehen, in allen Ländern, übrigens auch in den Gemeinden, wachsen die Schulden.

Wir müssen einen Weg zurück finden aus dieser Schuldenfalle, und die geht generell so, dass wir ja mit der Föderalismuskommission II die Schuldenbremse vorgesehen haben, aber das Zweite wird sein, dass wir zum Beispiel Steuersenkungsprogramme, wie sie die neue Bundesregierung sich vorgenommen hat, alle nicht verkraften können – weder in Bremen noch in Bund und Ländern und Gemeinden.

Brink: Horst Seehofer hat ja kritisiert, dass sich hoch verschuldete Länder "Wohltaten", so ein Zitat, leisten, wie beitragsfreie Kindergartenjahre, so in Berlin, oder keine Studiengebühren, wurde gerade im Saarland beschlossen. Wie kann man denn das den Kollegen, die wie Bayern oder Hessen ja in den Ländertopf einzahlen, erklären?

Böhrnsen: Also zunächst mal bedeutet der Länderfinanzausgleich und die damit angesprochene Solidarität natürlich, dass nicht nur die einen zahlen und die anderen nehmen, sondern dass auch die, die nehmen, eine Eigenverantwortung für eine ordentliche und wenn möglich sparsame Haushaltsführung haben – das tun wir auch. Und dass man sich im Prinzip nicht mehr leistet als die, die zahlen – auch das ist richtig. Aber der Blick …

Brink: Tut Bremen das nicht?

Böhrnsen: Der Blick auf irgendein Politikfeld und den Finger zu zeigen und zu sagen, die leisten sich mehr, das ist völlig falsch. Sie müssen den Haushalt generell anschauen, und da sind zum Beispiel die Zuwachsraten in den Haushalten ein wichtiger Indikator. Und da kann ich Ihnen sagen, dass die Zuwachsraten Bremens in den letzten fünf Jahren ganz, ganz hinten liegen und die von Bayern ganz, ganz vorne liegen. Das sind die entscheidenden Blicke auf die Haushalte. Der Föderalismus verlangt ja nicht, dass alle Länder das Gleiche tun, sondern dass sie sich im Wesentlichen das Gleiche leisten können.

Brink: Als Bürgermeister in Bremen sind Sie seit Kurzem Präsident des Bundesrates, also der Länderkammer. Der Länderfinanzausgleich ist da bis 2019 festgeschrieben. Sehen Sie ihn denn wirklich Gefahr, ist das nicht alles auch ein bisschen heiße Luft?

Böhrnsen: Ja, ich halte die Debatte für ziemlich vordergründig und sie kommt immer wieder, wie Sonnenschein und Regen. Der Finanzausgleich ist, so wie er jetzt besteht, ist 2005 in Kraft getreten, und er entspricht den Vorgaben des Grundgesetzes und im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus einem Urteil von 1999. Er ist bis 2019 festgeschrieben. Dass danach über die Fortsetzung diskutiert werden muss, das wissen alle und das soll auch so sein, aber gegenwärtig gibt es überhaupt gar keine Mehrheit dafür, den Länderfinanzausgleich zu ändern.

Brink: Jens Böhrnsen, Präsident des Senats und SPD-Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen. Und wir sprachen mit ihm über die Streitigkeiten in Sachen Länderfinanzausgleich. Vielen Dank für das Gespräch!