Atempause für die Liberalen

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 20.01.2013
Zwei nahezu gleichstarke politische Lager – das kann auch bei der Bundestagswahl ins Haus stehen. Fazit der Niedersachsen-Wahl für Sozialdemokraten und Grüne: Es reicht nicht, nur auf die Schwäche der FDP zu rechnen.
Wer immer in der FDP den Vorsitzenden Philipp Rösler loswerden will – nach dem Wahlausgang von Niedersachsen wird er sich damit schwer tun. Eine Niederlage wollten ihm seine innerparteilichen Gegner anhängen; für diesen Fall war sein Rücktritt fest einkalkuliert. Nun kann er sich mit einem Ergebnis schmücken, das unerwartet gut ausgefallen ist. Rösler ist politisch gestärkt – Leihstimmen hin oder her. Es ist nicht das erste Mal, dass die Liberalen aus taktischen Gründen gewählt werden, um eine bestimmte Regierungskonstellation zu erhalten. Hans-Dietrich Genscher kann davon ein Lied singen.

Rösler und seine Liberalen haben jetzt eine Atempause gewonnen. Sie müssen jetzt aber liefern – Themen, Profil, Personal, ein geschlossenes Erscheinungsbild – und damit die eigenen Stammwähler mobilisieren. Andernfalls kann die Zweitstimmen-Strategie bei der Bundestagswahl auch ins Auge gehen, wenn die Union durch die Leihstimmen an den Partner derart geschwächt wird, dass es auch mit der huckepack genommenen FDP nicht reicht.

Zwei nahezu gleichstarke politische Lager – das kann auch bei der Bundestagswahl im Herbst ins Haus stehen. Und so lautet ein Fazit für Sozialdemokraten und Grüne: Es reicht nicht, nur auf die Schwäche der FDP zu rechnen. Am Ende könnten sich auch im Bund ausreichend viele Wähler finden, die den Liberalen über die Fünf-Prozent-Hürde helfen, um Angela Merkel als Kanzlerin zu behalten. Besonders die Sozialdemokraten haben da immer noch ein Mobilisierungsproblem, das durch ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück nicht geringer geworden ist.

Steinbrück war am Abend souverän genug einzugestehen, dass die Diskussionen um seine Person den Wahlkämpfern in Hannover nicht geholfen haben. Einsicht immerhin. Und wenn in der Mitte nichts mehr zu holen ist, dann bleibt wohl nur der Blick nach links, wie es Sigmar Gabriel heute schon vorgemacht hat. Ein Spagat von wirtschaftlicher Kompetenz mit glaubwürdiger sozialer Gerechtigkeit – damit könnte die SPD der Linkspartei vielleicht jene wenigen Prozentpunkte abjagen, die notwendig sind, um Rot-Grün am Ende nach vorn zu bringen.

Die Linkspartei hat im Westen inzwischen ein kaum mehr reversibles Verlierer-Image. Was von ihr in den Bundestag zurückkehren kann, ist der stabile Sockel der ostdeutschen Regionalpartei. Und dass den Piraten der Durchmarsch in den nächsten Landtag gelingen würde, damit haben sie nach den internen Auseinandersetzungen der letzten Monate wohl selber nicht gerechnet. Auch für den Neuling in der Parteienlandschaft könnte Niedersachsen das Muster für die Bundestagswahl gewesen sein.
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