Asylsuchende

Wie können wir Flüchtlingen in Deutschland helfen?

Ein syrisches Kind schaut durch die Scheibe in einem Bus
Wie sich Flüchtlingen helfen lässt- unser Thema in "Im Gespräch" © picture alliance/dpa/Yannis Kolesidis
Moderation: Gisela Steinhauer · 29.08.2015
Viele Menschen in Deutschland wollen Flüchtlingen helfen, sei es ehrenamtlich vor Ort oder mit Spenden. Wie das am besten geht, diskutieren wir mit Harald Löhlein vom "Paritätischen" und dem Stuttgarter Integrationsbeauftragten Gari Pavkovic.
Fremdenfeindliche Proteste und Übergriffe auf der einen Seite, Hilfsbereitschaft und Unterstützung auf der anderen – im Umgang mit Flüchtlingen gibt Deutschland derzeit ein höchst unterschiedliches Bild ab. Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einem "dunklen und einem hellen Deutschland". Im Gespräch widmet sich heute den vielen Menschen, die Flüchtlingen helfen wollen, sei es ehrenamtlich vor Ort – oder mit Spenden.
Wie können wir Flüchtlingen in Deutschland helfen?
"Unsere Hauptfrage ist: Wie schaffen wir Unterbringung?", sagt der Integrationsbeauftragte der Stadt Stuttgart Gari Pavkovic. Derzeit leben in Stuttgart etwa 4500 Flüchtlinge, jeden Monat kommen schätzungsweise 500 hinzu. Noch können sie untergebracht werden, denn die Stadt hat sich rechtzeitig vorbereitet. "Stuttgart hat eine dezentrale Unterbringung, in Systembauten, Gemeinschaftsunterkünften; sie wurden schon vor zwei Jahren gebaut. Es gibt eine Task Force und eine Leitungsgruppe, die schon da waren, bevor die Flüchtlinge kamen."
Der Psychologe wurde 1959 in Mostar im damaligen Jugoslawien und heutigen Bosnien-Herzegowina geboren und kam als Zehnjähriger als Sohn von Gastarbeitern nach Deutschland. Er kennt die Situation, fremd in einem Land zu sein. Und er kennt die Vorbehalte der Bevölkerung gegen Flüchtlingsunterkünfte.
"Es gibt diese Haltung, 'Im Prinzip ja, aber nicht in meiner Nachbarschaft.' Was die Leute beunruhigt: Sie finden, dass die politischen Entscheidungsträger nur reagieren, improvisieren und keinen Plan haben. In Stuttgart haben wir einen Plan: Wir denken an den nächsten Schritt, wenn die Leute bleiben – besonders die Menschen aus Kriegsgebieten wie Syrien oder dem Irak. Dass wir die Eingliederung mit organisieren und nicht nur ein Dach über dem Kopf schaffen, sondern von Anfang an alles tun, dass sie in die Lage versetzt, Deutsch zu lernen und einer Beschäftigung nachzugehen."
"Wir brauchen vorausschauende Maßnahmen"
Auch in Stuttgart ist die Hilfsbereitschaft groß: "Wir haben 1300 bis 1500 Freiwillige, angedockt an die Unterkünfte - sie werden auch dahin gelenkt, wo der Bedarf ist. Wir haben eine Koordinierungsstelle bei der Stadt, wo die Leute geschult werden, wo auch die Sachspenden koordiniert und begutachtet werden, damit niemand seinen Sperrmüll loswerden will. Und es gibt auch Kulturangebote: eine Einbindung in Bildung, Sport und Unterricht – und Deutschunterricht."
Seine Erfahrung: "Wir brauchen vorausschauende Maßnahmen – Integration ist ein mehrjähriger Prozess. Wie gewinnt man Freiwillige? Wie schult man Freiwillige? Man braucht eine gute Koordination für den zweiten und dritten Schritt. Es ist schön, wenn sich Menschen engagieren, aber guter Wille allein genügt nicht, Empathie allein genügt nicht. Es braucht auch ein gewisses Wissen: Was dürfen Flüchtlinge? Es braucht hauptamtliche Koordinierungskümmerer. Und auch die Wirtschaft muss einbezogen werden. Sie sind ja bereit, zu spenden, wenn sie sehen, dass vor Ort gut koordiniert wird."
Wie kommen wir aus der Notlage in den Normalbetrieb? Diese Frage beschäftigt Harald Löhlein, Abteilungsleiter für Flüchtlingshilfe bei dem Dachverband "Der Paritätische", einem Zusammenschluss von über 10.000 eigenständigen, gemeinnützigen Organisationen und Selbsthilfegruppen aus ganz Deutschland.
Viele Träger seien derzeit auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen: "Das Spektrum ist riesig, aber es muss genau geguckt werden, was vor Ort gebraucht wird, was Sinn macht. Es gibt Notsituationen wie jetzt, da brauche ich Leute, die Zeltunterkünfte mit aufbauen. Dann alles, was mit Förderung zu tun hat: Deutschunterricht oder Patenschaften, Angebote für Kinder – da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Dann Hilfe bei der Jobsuche, auch da gibt es Patenmodelle. Oder auch die medizinische Notversorgung – aber das ist ein heikler Punkt: Die medizinische Versorgung wird oftmals durch Ehrenamtliche geleistet. Es ist gut, dass sie sich engagieren, aber ich tue mich schwer damit, denn die medizinische Versorgung gehört in die öffentliche Hand."
Wie können wir Flüchtlingen in Deutschland helfen?

Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am Samstag von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit Gari Pavkovic und Harald Löhlein. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de oder auf Facebook und Twitter.

Weitere Informationen zum Thema Flüchtlingshilfe und Asyl: www.asyl.de
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