Asylgipfel

Koalition ist unfähig zu handeln

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Seehofer während einer Sondersitzung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik im Bundeskanzleramt in Berlin
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Seehofer (CSU) © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Theo Geers · 01.11.2015
Die Asyldebatte zeigt den Bürgern eine doppelte Zerstrittenheit. CDU und CSU finden nicht zueinander, die beiden verstehen sich nicht mit der SPD. Das ist keine gute Voraussetzung, um in der Flüchtlingspolitik etwas zu erreichen, meint Theo Geers.
Nichts ist nach diesem Tag, der vor allem von Horst Seehofer zum Sonntag der Entscheidung hochstilisiert wurde, besser oder klarer als gestern. Die drängenden Fragen blieben samt und sonders unbeantwortet: Lässt sich der Flüchtlingsandrang begrenzen und wie gehen wir mit den Flüchtlingen ganz praktisch um, wie werden sie – und zwar alle – erfasst und verteilt und wie kann man diejenigen, die Fluchtgründe nur vorschützen, möglichst schnell wieder zurück schicken?
In all diesen Fragen, die die Deutschen aufwühlen, bietet diese Koalition weiter nur ein klägliches Bild der doppelten Zerstrittenheit. In der Union finden CSU und CDU nicht zueinander und beide zusammen finden keinen gemeinsamen Nenner mit der SPD. Derzeit ist diese Koalition in Flüchtlingspolitik unfähig zu handeln. Das ist angesichts des Ernstes der Lage ein höchst bedenklicher Zustand.
Seehofer steht beschädigt da
Und die bange Frage lautet: Wie lange hält dieser Zustand an? Nur vier Tage bis nächsten Donnerstag, wenn Merkel, Seehofer und Gabriel sich erneut treffen wollen? Manches spricht dafür, dass es mehr als vier Tage werden könnten. Denn nach diesem Asylgipfel im Kanzleramt stehen alle erst einmal beschädigt da. An erster Stelle Horst Seehofer.
Vor einigen Tagen stellte er noch Ultimaten und orakelte über bayrische Notwehrmaßnahmen, wenn bis heute keine Entscheidungen zur Begrenzung des Flüchtlingsstroms getroffen würden. Nach diesem Sonntag steht er mit leeren Händen da – und das drei Wochen vor dem CSU-Parteitag. Dass ein Horst Seehofer, dass eine CSU das so nicht auf sich beruhen lässt, gehört zum politischen Einmaleins dieser Republik. Der Union drohen höchst ungemütliche Tage, vielleicht sogar Wochen, und der Koalition damit auch. Dabei konnte Horst Seehofer sich auch vorher an allen zehn Fingern abzählen, dass Angela Merkel für einen Kurswechsel hin zu einer Politik, die die Flüchtlinge abschreckt, erst mal nicht zu haben ist.
Bruch zwischen Merkel und Seehofer kaum zu kitten
Der fundamentale Bruch zwischen Merkel und Seehofer ist dabei kaum zu kitten, denn der eine - Seehofer - blickt nach innen, Merkel orientiert sich dagegen mehr nach außen. Seehofer fühlt die Stimmung im Volk, die kippt, er blickt auf Bayern, auf Deutschland, darauf, dass sich dieses Land vielleicht sogar epochal verändert, worauf viele Deutsche nicht vorbereitet und womit viele auch nicht einverstanden sind. Logisch, dass ein Seehofer einen Kurswechsel fordert, den ihm die Kanzlerin aber nicht bieten kann. Merkel seziert geradezu das Flüchtlingsproblem, blickt über die Grenzen, ist unverändert überzeugt, dass mit nationalen Maßnahmen allein diese Flüchtlingskrise nicht zu lösen ist. Das ist gleichzeitig Merkels Dilemma. Denn da wo sie Lösungen sucht, in Brüssel auf EU-Ebene oder etwa in der Türkei – ist sie derzeit nur eine Bittstellerin.
Das ist keine gute Voraussetzung um schnell etwas zu erreichen und so diejenigen, für die Horst Seehofer steht, ruhig zu stellen. Bleibt die SPD, wo es manchen juckt, aus dem Streit in der Union, aus dem Kasperltheater, wie es hieß, Kapital zu schlagen. Aber Sigmar Gabriel sollte es bei seinen Warnungen, der Streit in der Union gefährde die Handlungsfähigkeit der Regierung, dann auch belassen. Klüger ist es sicherlich, der zerstrittenen Union in diesem Fall mit praktikablen Gegenvorschlägen aus ihrem Dilemma zu helfen. Dafür waren die gestern vorgelegten Vorschläge schon ein guter Aufschlag.
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