Åsne Seierstad: "Zwei Schwestern"

Von Norwegen in den Dschihad

Die norwegische Journalistin Åsne Seierstad
Die norwegische Journalistin Åsne Seierstad © imago/ZUMA Press
Åsne Seierstad im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.12.2017
Ayan und Leila, zwei norwegisch-somalische Mädchen, verlassen ihre Familien und schließen sich dem Islamischen Staat an. Åsne Seierstad erzählt die Geschichte der beiden Schwestern und sucht nach den Ursachen für die Radikalisierung.
Viele Teenager in Europa würden sich mit dem islamistischen Extremismus auseinandersetzen, sagte Åsne Seierstad im Deutschlandfunk Kultur. In ihrem Buch suche sie nach Gründen für die Radikalisierung und gehe der Frage nach, was die jungen Leute suchen würden, wenn sie sich mit diesen Themen befassen.

Auch eine Identitätssuche

"Das Buch hat über 500 Seiten und bietet nicht einfach eine Erklärung dafür, sondern es untersucht verschiedene Faktoren, die dazu beitragen, dass junge Menschen nach Syrien gehen. Wenn man sich die Motive anguckt, dann sieht man ganz klar, dass einige Motive existenzialistisch sind. Dass sie denken, dass sie einen Sinn des Lebens finden müssen. Dass sie denken, dass ihr Leben, so wie es ist, keine Bedeutung hat. Es ist auch eine Identitätssuche."
Man müsse sich auch klarmachen, dass die Lebensrealität von zwei jungen Somalis in Norwegen oder Deutschland eine ganz andere sei als die eines blonden Mädchens. Sie würden sich Fragen stellen wie: "Bin ich hier akzeptiert? Bin ich überhaupt willkommen? Bin ich Norwegerin? Bin ich Somali?" Die beiden Mädchen, um die es in ihrem Buch gehe, seien sehr gut integriert gewesen, sagte Seierstad. Aber es habe einen entscheidenden Bruch gegeben. Ihre Mutter habe die Ansicht vertreten, die beiden Mädchen seien zu norwegisch geworden und habe daraufhin einen Koran-Lehrer engagiert. Der Vater bezeichnete das im Nachhinein als den "Beginn des Albtraums".

"Kein Rezept für die Radikalisierung"

Warum bei den beiden Mädchen eine Radikalisierung eingesetzt habe, bei dem Bruder hingegen nicht, sei nicht einfach zu beantworten, sagte Seierstad. "Es gibt ja kein Rezept für die Radikalisierung." Die Jugendlichen, die selber denken würden und ihr Leben genießen wollten, wären auf jeden Fall weniger empfänglich für radikale Ideen.
Wichtig sei vor allem, dass sich junge Leute akzeptiert und als Teil der Gesellschaft fühlen würden, betonte Seierstad. Gefährlich werde es, wenn sich junge Menschen die Frage stellen müssten: "Warum soll ich zweitklassiger Norweger sein, wenn ich erstklassiger Muslim sein kann?"
Mehr zum Thema