Art Spiegelman wird 70

Der Holocaust als Comic

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Eine Zeichnung aus den "Maus"-Büchern von Art Spiegelman. Der bedeutende Comiczeichner feiert 70. Geburtstag. © picture alliance/dpa
Von Kai Clement · 15.02.2018
Katzen mit Hitlerbart, Mäuse in Konzentrationslagern: Mit "Maus" legte Art Spiegelman die erste Graphic Novel über den Holocaust vor. Das Buch fußt auf den Erzählungen seines Vaters über die Zeit im KZ: Heute wird Art Spiegelman 70 Jahre alt.
Die Welt erfahren, das hat Art Spiegelman im Grunde durch den Comic, so behauptet er zumindest:
"Lesen gelernt habe ich mit Batman. Sex dank Betty Brant und Spiderman. Feminismus von Little Lulu. Philosophie von den Peanuts. Und fast alles andere aus dem MAD-Magazin!"
Aus dem Satireblatt MAD macht Spiegelman eine ganz private Abkürzung…
"MAD was an acronym for mom and dad because I couldn't learn much from them."
… eine Abkürzung für Mutter und Vater also, weil er von denen nicht viel habe lernen können. Der Comic als Elternersatz. Spiegelmans Mutter begeht Selbstmord, da ist er gerade 20 Jahre alt. Seinem Vater ist er lange Jahre entfremdet. Doch dann finden sie ein gemeinsames Thema – und zusammen. Ausgerechnet durch den Holocaust. Der Vater erzählt. Der Sohn hört zu. Ein spätes Miteinander.
"Unheimlich, seltsam und die Ironie ist mir bewusst: wir fanden Gemeinsamkeiten und ein friedliches Miteinander ausgerechnet angesichts der Vernichtungslager."

Die Geschichte seiner Eltern als Comic

Der Vater erzählt. Der Sohn nimmt auf. Und schafft aus diesen Erinnerungen des Horrors sein Meisterwerk "Maus" über die Nazis und den Holocaust. Katzen mit Hitlerbart, Mäuse in Konzentrationslagern. Die Geschichte seiner Eltern, die Auschwitz überlebten, aber den anderen Sohn und viele Verwandte verloren.
Darf man das so erzählen?, fragt vor allem Deutschland. Das darf man, sagen die Amerikaner und geben Spiegelman als erstem Comic-Zeichner den Pulitzer-Preis.
Bei Maus gehe es mindestens ebenso sehr um ein Vater-Sohn-Verhältnis wie um den Holocaust, hat Spiegelman einmal erklärt. Viele Jahre später wird er selbstbewusst sagen: Comic und Holocaust, das klinge wie ein Widerspruch in sich, aber für ihn sei Comic bloß ein Medium – und das verstehe allmählich auch der Rest der Welt.
Spiegelman ist fasziniert von der Macht des Bildes. Zusammen mit dem Jazz-Musiker Phillip Johnston tourt er durch die Welt und fasst Comics und die Graphic Novel in eine musikalische Bilderschau.

Verfolgt vom Erfolg

Bilder, die rationale Grenzen überwinden und sich direkt ins Gehirn einbrennen. Und da bleiben die Bilder haften. Auch die von Katzen mit Hitlerbart, Mäusen in Konzentrationslagern. Der Schöpfer – verfolgt vom Erfolg.
"Es ist großartig, Anerkennung zu bekommen. Aber es ist hart, hinter der Maus-Maske gesehen zu werden. Das Buch ragt über mir auf wie einst mein Vater. Journalisten und Studenten stellen immer dieselben Fragen: Warum Comics? Warum Mäuse? Warum Holocaust? Ach je!"
2011 versucht Spiegelman mit der Veröffentlichung von "Metamaus" als Buch und DVD wirklich alle Fragen zu "Maus" beantworten.
Ein Jahr später steht er schon wieder vor der größten Frage: der nach Leben und Tod, diesmal geht es um ihn selbst.
"2012 stand mir eine Tumoroperation am Kopf bevor. Verängstigt dachte ich über ein Gespräch an der Bahre nach, aber das erschien mir zu theatralisch."
Art Spiegelman aber, in dessen Familie der Tod schon so gewütet hat, macht weiter. Kettenrauchend – inzwischen mit der E-Zigarette – süffisant, bitterböse und ironisch. Der Meister des Comics, der Vater der Graphic Novel.
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