Armutszuwanderung

    Arbeitsministerium widerspricht der CSU

    30.12.2013
    Führende CSU-Politiker warnen vor Sozialbetrug durch Migranten aus Rumänien und Bulgarien. Aus dem Arbeitsministerium sind dagegen optimistische Töne zu hören.
    In der Debatte um Zuwander aus Bulgarien und Rumänien erntet die CSU Widerspruch aus der Bundesregierung. Laut neuen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums gebe es keine Belege für eine bedeutende Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Die vollständige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Bürger beider Länder zum 1. Januar 2014 sehe das Haus von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) optimistisch.
    Nach den Erfahrungen der Öffnung für Polen und weiterer mittel- und osteuropäischer EU-Bürger vor drei Jahren seien keine "erheblichen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt" zu erwarten, heißt es demnach in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion.
    "Gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt"
    In den vergangenen Jahren sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bulgaren und Rumänen in Deutschland stärker gestiegen als die Zahl der Zuwanderer aus beiden Ländern. "Diese Entwicklung deutet auf weiterhin gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin", zitiert die SZ das Arbeitsministerium. Auch die Zahl der bulgarischen und rumänischen Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe sei zwischen 2010 und 2013 deutlich weniger gestiegen als die Zahl der Migranten aus beiden Ländern.
    Auch der Migrationsforscher Herbert Brücker warnt vor übertriebenen Ängsten. Zwar gebe es in manchen Gemeinden "gravierende Probleme", sagte er im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Dennoch sei die wirtschaftliche und soziale Lage der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien besser als häufig angenommen.
    Die CSU hatte am Wochenende einen schärferen Kurs gegen Armutsmigranten gefordert. In einer Beschlussvorlage der Landesgruppe im Bundestag für ihre Klausur Anfang Januar war der "fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung" kritisiert worden. Die Christsozialen verlangen eine Wiedereinreisesperre bei Sozialbetrug und erwägen eine Aussetzung aller Sozialleistungen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts.
    Die Linke wirft der CSU Nähe zur NPD vor
    Besonders viel Widerspruch provozierte die CSU mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt". "Wer eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann. Linksparteichef Bernd Riexinger warf der CSU Nähe zur NPD vor. "Das ist üble Hetze, mit der die CSU braune Banden zur Gewalt ermutigt." Kritik kommt auch von der neuen Integrationsbeuaftragten Aydan Özoguz (SPD). Im Deutschlandfunk-Interview bezeichnete sie die Wortwahl der CSU als verunglimpfend und bezweifelte, dass die Vorschläge der Christsozialen mit EU-Recht vereinbar sind.
    Doch in der CSU zeigt man sich unbeeindruckt von derlei Einwänden. Führende Parteivertreter erneuerten am Montag die Forderungen nach einem harten Kurs gegen Armutszuwanderer. Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende des CSU-Landesgruppe im Bundestag, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Probleme gibt es, wenn Sozialleistungen durch bewussten Missbrauch erschlichen werden." Die CSU prüfe, "ob man in den ersten drei Monaten den Bezug von Sozialleistungen nicht vollständig aussetzen kann, um solchen Missbrauch zu verhindern".
    Ähnliche Töne sind von dem CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl zu hören. "Diejenigen, die eine Berufsausbildung haben, Ingenieure oder andere Facharbeiter, sind bei uns herzlich willkommen", sagte Uhl. "Aber Menschen, die mit Sicherheit keinerlei Chancen haben, bei uns auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu bekommen, die sollten auch nicht zu uns kommen und von Sozialhilfe leben."
    Hören Sie zu diesem Thema auch ein Interview mit der Migrationsexpertin Sabine Klinglmair vom International Center for Migration Policy Development in unserer Sendung "Ortszeit" ab 17.07 Uhr.
    twa mit dpa/epd

    Stichwort Arbeitnehmerfreizügigkeit:

    • Durch die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit können Arbeitnehmer in jedem Land der Europäischen Union frei arbeiten.
    • Um Verwerfungen am Arbeitsmarkt durch zuwandernde Niedriglöhner zu verhindern, hatten Deutschland und Österreich dieses Recht für Bürger der osteuropäischen Beitrittsländer zunächst eingeschränkt.
    • Am 1. Mai 2011 endeten diese Übergangsregelungen für Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Lettland, Litauen, und Estland.
    • Vom 1. Januar 2014 an gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Menschen aus Rumänien und Bulgarien.
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