ARD-Ausstrahlung der Antisemitismus-Doku

"Ein sehr, sehr merkwürdiges Vorgehen"

Zwei gelbe Davidsterne sind an eine Stele am Marx-Engels-Forum in Berlin geschmiert
Die Ausstrahlung der TV-Dokumentation über Antisemitismus in der ARD steht in der Kritik. © Imago
Michael Meyer im Gespräch mit Dieter Kassel · 22.06.2017
Der Medienjournalist Michael Meyer äußert sich kritisch zur gestrigen ARD-Ausstrahlung der TV-Dokumentation über Antisemitismus. Sie sei offenbar auf Druck der Öffentlichkeit erfolgt. Es handele sich um einen Präzedenzfall in der ARD-Geschichte.
Ist das der Schlusspunkt einer heftigen Debatte um das Thema Antisemitismus? Vermutlich eher nicht. Gestern Abend war die Dokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa" nun doch in der ARD zu sehen. Direkt im Anschluss an die Ausstrahlung wurde in der Sendung "Maischberger" über die Dokumentation und deren Arbeitsweise diskutiert.
Der Medienjournalist Michael Meyer kritisiert im Deutschlandfunk Kultur die Art und Weise des jetzt angewendeten Verfahrens der ARD-Verantwortlichen und sagt: "Ich finde, es ist eine Schnapsidee." Es wäre eigentlich notwendig gewesen, erst einmal Änderungen in der Dokumentation vorzunehmen und darin enthaltene Fehler auszuräumen. Erst dann hätte man sie ausstrahlen sollen:

"Aber das jetzt so zu machen, auf Druck der Öffentlichkeit ganz offensichtlich – also auf Druck der "Bild"-Zeitung, muss man auch einmal ganz deutlich sagen -, das finde ich ein sehr, sehr merkwürdiges Vorgehen. Das ist im Grunde auch ein Präzedenzfall. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass die ARD das jemals so gemacht hat, so verfahren ist. Und insofern kann ich mir für das nächste Mal nur wünschen, dass man ein bisschen klüger mit so einem Film umgeht."

Die TV-Dokumentation ist "eine Polemik"

Er sehe die Dokumentation als "eine Polemik", die zum Thema Antisemitismus ganz klar Stellung beziehen wolle, sagt Meyer. Die Autoren Joachim Schroeder und Sophie Hafner hätten sich stark auf die Gründe für Antisemitismus in Nahost konzentriert und den Israel-Palästina-Konflikt wieder aufgearbeitet – was schließlich auch zu den inhaltlichen Konflikten mit den beauftragenden Sendern ARTE und WDR beigetragen habe.
Das Problem der Dokumentation seien deren Fehler und Unzulänglichkeiten gewesen, meint Meyer. So habe der WDR über 25 Fehler entdeckt, deswegen habe man den Film ja ursprünglich auch nicht ausstrahlen wollen:
"Nun war es gestern Abend so, dass der WDR sich gerettet hat – wenn man so will – indem man zum einen bei der Dokumentation solche Schrifttafeln eingeblendet hat. Dann hat man wohl auch die größten Fehler rausgeschnitten. Und dann hat man noch eine Website eingerichtet, wo man im Netz dann halt nachschauen kann, welche Fehler und Unzulänglichkeiten das sind. Das war das Netz, was der WDR sozusagen ausgespannt hat. Aber dennoch hat man diese Dokumentation gestern Abend gezeigt."

Antisemitismus - auch auf der linken Seite

Es gehe in der Dokumentation auch ganz stark um Antisemitismus auf der linken Seite, beschreibt Meyer – das sei ein bisher eher "unterbelichteter Bereich". Wenn man aber schon eine "Polemik" drehe, müsse sie auch "wasserfest" sein, fordert Meyer:
"Die Autoren haben sich aus meiner Sicht einfach angreifbar gemacht, indem sie einiges offen gelassen haben, mit bestimmten Leuten nicht gesprochen haben."
Als Beispiel nannte Meyer die im Film angesprochene Rolle der Nicht-Regierungsorganisationen:
"Denen unterstellt man so einen laxen Umgang mit dem Geld. Dass die dann Organisationen im Gaza-Streifen unterstützen, die dann auch Terror befürworten. Und dann müsste man natürlich mit der Führungsebene der jeweiligen Organisationen sprechen. Das haben die Autoren aber nicht getan." (ue)
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