Kölner Behörden zu Silvester-Übergriffen

Bärendienst für die Integration

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Wolfgang Albers
Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Wolfgang Albers © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Moritz Küpper · 09.01.2016
Mit ihrer desaströsen Informationspolitik zur Kölner Silvesternacht haben die Behörden großen Schaden in der Flüchtlingsdebatte angerichtet, meint Moritz Küpper. Das Zurückhalten von Informationen hat das Vertrauen vieler Menschen schwer beschädigt. Die Folgen sind noch nicht absehbar.
Der Januar ist eigentlich kein Monat für Jahresrückblicke. Und doch ist schon so viel passiert, dass es sich lohnt, zurückzuschauen: auf die Ereignisse rund um die Kölner Silvesternacht, auf die danach einsetzende Debatte und auch auf die – das wird immer deutlicher – unerträgliche und unentschuldbare Informationspolitik der Behörden.
Natürlich, die Ereignisse sind noch im Fluss, sodass sich eine abschließende Bewertung schon per Definition ausschließt. Und dennoch ist es hilfreich, einmal rauszutreten aus diesem anfangs kleinen, mittlerweile riesigen Strom von ersten Hinweisen, falschen Pressemitteilungen, verwackelten YouTube-Videos, zerknirschten Pressekonferenzen, markigen Schlagwörtern, späten Sondersendungen, altklugen Analysen, ernstzunehmenden Hilferufen, deutlichen Einsatzprotokollen und lautem Schweigen. Denn im Jahr 2016 – obwohl erst neun Tage alt – ist schon so viel passiert, was dieses Land, seine Politiker, aber eben auch seine Bevölkerung und das Bild Deutschlands in Europa und der Welt verändern könnte.
Wilden Spekulationen statt Diskussionskultur
Und während in Köln noch diskutiert wird, welche Folgen diese Silvesternacht für den Karneval hat, kann dieses Ereignis zu einem Symbol werden, das die weltweit beachtete deutsche Flüchtlingspolitik in neuem Licht erscheinen lässt.
Inwiefern und wie weit, das ist noch unklar. Fakt aber ist: Die Vorfälle aus der Kölner Silvesternacht, sie haben vor allem eines zur Folge: einen Verlust des Vertrauens.
Vertrauen in die Polizei und die Sicherheitskräfte, die nicht in der Lage waren, die Menschen zu schützen. Vertrauen in die Medien, die das Ausmaß der Ereignisse anfangs unterschätzt haben. Vertrauen in die Behörden, die wohl Fakten frisierten und ein geschöntes Bild der Lage zeichneten. Vertrauen in die Diskussionskultur, in der – obwohl es anfangs nur wenige Informationen gab – dieses Vakuum nicht ausgehalten und sich stattdessen oft in wilden Spekulationen verloren wurde. Und, vor allem: Vertrauen in die Politik des Landes. Denn: Der grundsätzliche Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage – "Wir schaffen das!" – klingt nun deutlich anders.
Das Vorgehen der Behörden macht sprachlos
Doch eine Gesellschaft, erst recht eine, die vor der großen Aufgabe der Integration von Flüchtlingen steht, braucht gerade Vertrauen. In Institutionen, Bürger, in sich selbst. Es ist ihr Kitt, mit dem sich große Aufgaben wie beispielsweise die Integration meistern lassen.
Und dass dieses Vertrauen im Fall der Kölner Silvesternacht vor allem durch die Informationspolitik der Behörden wahrscheinlich nicht nur fahrlässig aufs Spiel gesetzt, sondern bewusst gefährdet wurde, indem Informationen zurückgehalten und unterdrückt wurden, macht sprachlos.
Das klare Bild des Ausmaßes der Übergriffe auf der Kölner Domplatte zu beschönigen und dann zuzusehen, wie einzelne Aussagen durch Rekonstruktion mithilfe von zahlreichen Zeugenaussagen, durchgestochenen Polizeiprotokollen und Recherchen von Medien konterkariert werden, ist brandgefährlich. Es ist die zweite schreckliche Nachricht – nach den Ereignissen selber.
Wir brauchen Vertrauen in der Debatte
Mit der Kölner Silvesternacht gibt es jetzt ein aussagekräftiges Beispiel, das in der Debatte um Flüchtlinge, Integration und Werte wirkungsvoll sein wird. Denn durch die desaströse Informationspolitik steht es eben nicht nur für die kriminellen Taten, deren – und das bleibt wichtig zu erwähnen – genaue Motivation, Umfang und Täter noch nicht gerichtsfest geklärt sind, sondern auch für Begriffe wie Vertuschen und Beschönigen. Diese Silvesternacht ist damit sozusagen das Gegenstück zu Merkels Satz "Wir schaffen das!", der letztendlich auch nur auf Hoffnung und Zuversicht beruhte. Eigenschaften, die wichtig sind, die aber angesichts der großen Herausforderungen nicht reichen. Es ist zu hoffen, dass zwischen diesen beiden Polen nun eine ernsthafte Debatte entstehen kann, wie die große Aufgabe der Integration gelingen kann. Und darüber, wie wir darüber reden. Anhand von Fakten, klar. Aber auch ohne Tabus.
Von daher ist nun zu hoffen, dass durch eine ernsthafte, fundierte Debatte Vertrauen auf- statt abgebaut wird. Denn eines ist klar: Wir werden es brauchen. In jeder Form.
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