Architektur an Autobahnraststätten

Picknicken zwischen Waschbeton und Stahlrundrohren

Junger Mann liest eine Zeitung auf einem Autobahn-Rastplatz.
Trostloser Ort oder gemütlicher Picknickplatz? © imago/ Geisser
Von Marietta Schwarz · 14.08.2018
Sommerzeit ist Reisezeit – und einen Teil dieser verbringen Auto-Urlauber an Raststätten: Picknickflächen sollen dort zum Verweilen einladen. Oder doch eher zum schnellen Weiterfahren? Eine kleine Design-Kritik.
Ein Tisch aus Waschbeton. Rechts und links zwei unverrückbare Bänke: Betonfuß mit Holzbelattung. Fußboden: Betonsteine. In zwei, drei Metern Abstand der passende Mülleimer. Ein paar Quadratmeter Rasen. So oder so ähnlich sieht es fast überall aus an deutschen Autobahnen. Wir sind hier auf der A24, Raststätte Schaalsee. Die Picknickfläche ist verlassen.
Die Rastsuchenden hängen eher an oder in ihren Autos herum. Essen. Trinken. Klar es ist heiß, aber "sind wir mal ehrlich. Wer weiß, wer da schon alles draufgebrunzt und sonstiges Zeug gemacht hat".
Eine Holländerin, ebenfalls in sicherem Abstand, meint, es könnte schlimmer sein: "Der Mülleimer ist nicht so voll und deshalb sind nicht so viel Wespen da."

"Da kann man ein Spiegelei drauf braten"

Aber das Ehepaar hier ist gar nicht zu halten: "Das ist Splittergefahr ohne Ende, das Holz. Die Kinder hauen sich so schnell Splitter in die Hände oder in die Füße." – "Das ist uns eigentlich zu gefährlich. Weil, wenn wir jetzt so einen Splitter haben, das muss man dann erstmal rausholen, und bis man dann wieder loskommt." – "Die sind aber nicht immer aus Holz, die Bänke! Manche sind aus Beton oder Kunststoffe, ganz viele aus Lochblech." – "Aber bei der Hitze, das ist so heiß. Da setzt man sich nicht drauf. Da kann man ein Spiegelei drauf braten!"
Picknickbänke und ein Picknicktisch an einer Autobahnraststätte.
Funktional sind sie: Die Picknickflächen an den Autobahnraststätten. Aber auch formschön?© Marietta Schwarz
Womit wir wirklich bei Gestaltungsfragen angekommen sind. Wie funktional, wie gut designt sind die Tisch-Bank-Garnituren an deutschen Autobahnen?
Ich rufe bei einigen Herstellern an: Die Firma Runge etwa hat an hessischen Autobahnen Spuren hinterlassen mit ihrem Modell "Vanda" – abgeleitet von Vandalismus. Bänke und Tisch sind aus Drahtgitter und trocknen bei Regen schnell. Gestaltung? Naja… Dafür seien sie halt kaum kleinzukriegen.

"Das will etwas Freundlich sein"

Ja, der Design-Anspruch hinke bei solchen Anlagen halt etwas hinterher, heißt es beim Hersteller Ziegler Metall. Und auch die Firma Michow ist sich bewusst, dass ihr Modell "Magdeburg" nicht "State of the Art" ist, dafür aber wahnsinnig robust. Und wirklich weit verbreitet, jeder Autofahrer kennt es: Tisch- und Bankflächen, auch aus Drahtgitter, ruhen auf einem halbkreisförmigen Stahlrundrohr, die Farben variieren je nach Autobahn. Fröhlich, "fast verspielt, oder lieblich. Das will etwas Freundlich sein." – "Ja, gute Formulierung. Es schafft es nicht ganz." Schade eigentlich!
Müll an einem Picknickplatz einer Autoraststätte
Ob sich hier noch jemand zum Picknick hinsetzen möchte?© imago/ Müller-Stauffenberg
Der Fotograf Michael Tewes nimmt die deutsche Autobahn seit Jahren vor die Linse, auch die Rastanlagen.
"Von dieser Sterilität, die diese Orte innehaben, ist es ja so, dass sie sagen: Setz dich kurz hier hin, aber sei auch schnell wieder weg!"
Gerade dieses Reiben zweier Ästhetiken, nämlich die der Be-Schleunigung und der Ent-Schleunigung, mache den Reiz dieser Orte aus. Könnte man daraus nicht etwas Hervorragendes kreieren? Ein Corporate Design? Aber vielleicht sollten wir auch nicht zu viel wollen.

"Man schaut sich an und hält inne"

Michael Tewes weist auf etwas ganz Banales, aber eigentlich auch sehr Schönes hin: Beim Raststätten-Picknick kann man sich immerhin anschauen!
"Im Auto sitzt man hintereinander, die vorderen können was sehen, und vom gedachten Ort soll das ein Gegenüber sein. Man schaut sich an und hält inne, im besten Fall."
Für die Hersteller sind Raststätten-Garnituren jedenfalls so eine Art Cash Cow. Wer es einmal geschafft hat mit seiner Tisch-Bank-Kombination, kann jahrzehntelang mit Folgeaufträgen rechnen. Das steigende Verkehrsaufkommen, vor allem durch die LKW, macht es möglich.
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