Archäologie für Einsteiger

29.04.2012
In Deutschland gibt es enorm viele Grabungen. Das hat nichts mit einem übermäßigen Interesse an Archäologie zu tun, sondern schlicht und einfach damit, dass in Deutschland viel gebaut wird. Gisela Graichen und Alexander Hesse stellen 20 aktuelle Grabungen vor.
Keltische Fürstinnen, Moorleichen, Familiengräber aus der Steinzeit, an Sensationsfunden mangelt es in diesem Buch nicht. Insgesamt 20 wichtige archäologische Funde stellen die Journalisten Gisela Graichen und Alexander Hesse vom ZDF in Zusammenarbeit mit dem Verband der Landesarchäologen in diesem Buch vor. Erschienen ist es als Begleitband zu einer zweiteiligen Filmdokumentation über "Deutschlands Supergrabungen", daher auch der nicht gerade schöne Titel, von dem man sich aber nicht abschrecken lassen sollte. Denn unabhängig von der Dokumentation bietet das Buch eine gelungen Zusammenfassung aktueller Grabungsprojekte in Deutschland und gibt viele Tipps, wo und wie man diese Funde auch vor Ort erleben kann.

Die Autoren wollen vor allem Laien begeistern, weshalb sie den Begriff Archäologie sehr weit gefasst haben. Ein Tunnel unter der Berliner Mauer ist genauso Thema wie der römische Grenzwall Limes. Zwischen beiden Forschungsprojekten liegen fast 2000 Jahre. Klassiker wie Ötzi, obwohl der Mann aus dem Eis kein originär deutscher Fund ist, fehlen ebenso wenig wie die Überreste der Varus-Schlacht oder die Himmelscheibe von Nebra.

Unter den ausgewählten Grabungen ist die Venus von Hohlefels von der schwäbischen Alb der älteste Fund. Die Steinfigur ist fast 40.000 Jahre alt und gehört zu den ältesten Kunstwerken der Menschheitsgeschichte. Der gruseligste Fund ist "Moora", eine Mädchenleiche aus dem Uchter Moor. Sie beschäftigte mehrere Jahre Polizisten, Kriminalbeamte und die Gerichtsmediziner in Niedersachsen, weil ein ungeklärter Mordfall in naher Vergangenheit vermutete wurde. Erst 2005, fünf Jahre nach ihrer Entdeckung, stellten Archäologen fest, dass die Leiche 2650 Jahre alt war, das Mädchen lebte in der vorrömischen Eisenzeit.

Faszination und nicht Vollständigkeit steht in "Deutschlands Supergrabungen" ganz klar im Vordergrund. Das schadet dem Buch aber nicht, ganz im Gegenteil, die Autoren wissen die Begeisterung zu vermitteln. Die Texte lesen sich sehr kurzweilig, sind anschaulich geschrieben, dazu gibt es zahlreiche Fotografien und Bilder, die Schätze, Grabungen, Landschaften und Wissenschaftler bei der Arbeit zeigen. Kleine, kurze Zeitreisen zu historisch interessanten Kulturen und Lebensstätten vergangener Jahrhunderte, die nicht immer in den Gesichtsbüchern zu finden sind. Eine besondere Überraschung fand sich zum Beispiel auch bei Grabungen in Berlin, die Stadt urkundlich 1237 erstmals erwähnt, war schon mehrere Jahrzehnte zuvor dicht besiedelt.

Die einzelnen Kapitel mögen manchmal etwas zu kurz erscheinen, hat man gerade an einer Geschichte Gefallen gefunden, ist sie auch schon wieder vorbei. Als Appetithappen, die Lust auf mehr machen, bietet aber jedes Kapitel am Schluss mehrere Tipps für Ausflüge, Sehenswürdigkeiten, Museumsbesuche mit denen sich das Wissen je nach Vorliebe erweitern und vertiefen lässt. Eine schöne Idee, den Leser so selber auf Forschungsreise zu schicken. Wer es dann doch ganz genau wissen will, im Angang gibt es ausreichend weiterführende Literatur.

Trotz der Kürze ist das Buch insgesamt eine gelungene Kombination zwischen wissenschaftlicher Expertise und verständlicher Vermittlung. Besonders die Einordnung der Funde in den historischen Kontext zu Beginn jedes Kapitels verschafft schnell einen guten Überblick.

Besprochen von Susanne Nessler

Alexander Hesse (Hg.): Deutschlands Supergrabungen
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2012
176 Seiten, 19,95 Euro
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