Arbeitsmigrant auf der grünen Insel

Von Paul Stänner · 30.11.2011
Ralf Sotscheck ist Korrespondent der "taz" für die englischsprachigen Inseln, und er ist bekannt als Autor von Büchern vor allem über Irland. Die Liebe zu seiner jetzigen Wahlheimat verdankt der gebürtige Berliner einem Pub-Besuch.
Wir sind an der der Westküste von Irland, ein wenig südlich der Stadt Galway. Rund um Galway gibt es fast nur kleine Dörfer, und dazu gehört das sehr kleine Fanore. Die wenigen Häuser an der Küstenstraße liegen immer im Wind, der vom Atlantik heraufweht, weshalb die Tür zu Ralf Sotschecks Haus auch gut geschützt hinter einem Anbau liegt.

Die Küche in seinem Haus in Fanore ist weiß gestrichen, die Regale sind offen, die rustikalen Möbel aus hellem Holz. An den Wänden hängen winzige Pfännchen, in denen man ganz sparsam je ein Ei braten kann. Tritt man aus der Tür, liegt rechts der Atlantik und nach links erstreckt sich die weite Landschaft des Burren.

Ralf Sotscheck: "Burren stammt von dem irischen Wort burrin und bedeutet felsiger Ort. Und wenn man sich das anguckt, weiß man, warum der so heißt. Einer von Cromwells Soldaten sagte damals, als sie die Insel überfallen haben: zu wenig Bäume, um einen aufzuhängen, zu wenig Wasser, um einen zu ersäufen und zu wenig Erde, um einen Mann zu verscharren. Aber wenn man genauer hinguckt, ist das eigentlich nicht so. Es ist ein einmaliges Gebiet, hier wachsen Pflanzen, mediterrane Pflanzen, arktische Pflanzen nebeneinander, für Botaniker ist das ein Paradies - aber auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Mondlandschaft, und das hat wohl auch Cromwell gedacht."

Ein Naturfreak ist aus dem Großstadtkind Sotscheck noch nicht geworden, aber nach einer Eingewöhnungsphase genießt er das Leben im Dorf an der Küste. Ralf Sotschecks Liebe zu seiner späteren Wahlheimat begann in den 70er-Jahren in Berlin, wo er geboren war.

"Ich war ungefähr 14 oder 15 und zwei Freunde von mir machten irische Musik und traten damit in den Folkpubs auf. Und ich hörte mir das an, die irische Musik, und die teilte sich auf in rebel songs, also mehr oder minder politische Lieder, und in Sauflieder. Die Sauflieder hab ich auf Anhieb verstanden, bei den politischen Liedern dachte ich, nun guckste mal nach und begann mich für irische Geschichte und Politik zu interessieren und dabei ist es dann eigentlich geblieben."

Aus den Irish Pubs von damals noch West-Berlin ging es auf die sogenannte grüne Insel. Als Student reiste Sotscheck mit Freunden zu einem Event, das ein Musikfestival sein sollte, sich dann aber als ein veritabler Heiratsmarkt entpuppte. Sotscheck war nicht auf der Suche nach einer Frau und traf eine Irin, die nicht auf der Suche nach einem Mann war. Sie heirateten. Sie wollten es jedenfalls, aber Aine war irische Katholikin und Ralf deutscher Protestant. Sotscheck erhielt einen ersten Einblick in fremde Sitten und Gebräuche:

"Aine brauchte eine Sondergenehmigung. Der Pfarrer sagte ihr ganz klar: Gut wenn du jetzt 50 und hässlich wärst, dann wäre das unter Umständen okay. Aber in deinem Alter, mit deinem Aussehen kriegste noch einen guten Katholiken. Dann musste sie tatsächlich bis zum Bischof hin und sich von dem eine Sondergenehmigung holen."

Nach einigen Jahren in Irland zog die Familie nach Berlin zurück, wo Ralf Sotscheck das Studium der Wirtschaftspädagogik beendete. In Berlin wurden aber keine Handelsschullehrer gebraucht, also zog er 1985 mit Frau und Kindern wieder nach Irland.

"Ich kannte Leute bei der taz und hab gesagt, ich zieh jetzt dahin um, wir können es ja mal probieren. Und dann hab ich angefangen zu schreiben. Und zwei Jahre später ging unser Londonkorrespondent in die USA und man fragte mich, ob ich nicht Großbritannien und so für sechs Monate mit abdecken könnte? Ja, so ist es bis heut geblieben.!"

Das Dorf Fanore, in dem er lebt, verfügt an kommunalen Einrichtungen über einen kleinen Laden mit einer Poststelle, einen Friedhof und ein Lokal. O'Donohues Pub ist ein würdevolles, gelb und blau lackiertes Haus mit angedeuteten Säulen in der Fassade.

Rein figürlich passt Ralf Sotscheck in einen irischen Pub wie eine Galionsfigur vor einen Dreimaster - er ist rundlicher, als er selbst sein möchte, trinkt und isst mit Genuss und weiß einen Abend in einer Kneipe bei guten Gesprächen und Musik zu schätzen. Und nach einem Abend im Pub hat er am nächsten Morgen den grenzenlosen Blick über den weiten Atlantik.

Wir nehmen an, unter diesen Umständen ist es nicht leicht, das Interesse für die Niederungen der britischen Parteienkämpfe oder die Euro-Rettung zu bewahren.

Ralf Sotscheck: (lacht) ""Die Lust ist, wenn man auf den Atlantik guckt, nicht so groß, deshalb hab ich auch dafür gesorgt, dass ich von meinem Schreibtisch aus den Atlantik nicht sehen kann. Ohne Internet würde es natürlich nicht gehen, und ich bin ja auch oft in Dublin und in Großbritannien drüben - das geht schon."

Ralf Sotscheck ist mit einer Irin verheiratet, seine Kinder leben in Irland, er ist irischer Staatsbürger – aber bei aller Liebe zu seiner Wahlheimat, einen Wunsch hat Ralf Sotscheck noch offen:

"Wenn unsere Washingtonkorrespondentin sich überlegt, zurück nach Europa zu kommen, könnte ich mich ja vielleicht dafür bewerben. Wenn meine Frau pensioniert ist in gut zwei Jahren, warum nicht?"