Appell zur Eigeninitiative

10.06.2013
Beim Thema Frauenquote in Führungspositionen deutscher Unternehmen ist noch eine Menge zu tun. Die Gründe der Ungleichverteilung sind kein Geheimnis: Alles ist gesagt. Jetzt macht die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg in einem Buch Vorschläge, wie man das ändern kann.
Im Dezember 2010 hielt Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook und damit eine der einflussreichsten und bestbezahlten Managerinnen in den USA, eine viel beachtete Rede, in der sie bedauerte, dass es immer noch so wenige weibliche Führungskräfte gibt und Vorschläge machte, wie man das ändern könne. Schon damals wurden ihre Aussagen heftig und kontrovers diskutiert. Seit jetzt ihr Buch "Lean In" erschienen ist, ist die Aufgeregtheit noch größer - obwohl es im Prinzip nur eine erweiterte Version dieser Rede ist.

Stein des Anstoßes sind nicht die von Sandberg ausführlich zitierten und mittlerweile weithin bekannten sozialwissenschaftlichen Studien, die belegen, welche sozialen Mechanismen dazu führen, dass Frauen heute noch immer im Beruf schlechter dastehen als Männer. Studien, die zeigen, dass auch an vollzeitberufstätigen Frauen nach wie vor ein großer Anteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung kleben bleibt. Studien, die deutlich machen, dass mit weiblichen Tugenden wie Strebsamkeit, Fleiß und Bravheit sich zwar hervorragende Schul- und Universitätsabschlüsse erzielen lassen, aber eben keine Karriereleitern erklommen werden. Studien, die zeigen, dass ein allzu selbstsicheres Auftreten, wie es männliche Führungskräfte an den Tag legen, Frauen hingegen als "unweiblich" ausgelegt wird und sie Sympathiepunkte kostet. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, aber diese Punkte sind es nicht, die der Managerin heftige Kritik einbringen.

Ehrgeiziger und zäher werden
Nein, was Sandberg negativ ausgelegt wird, sind ihre eigenen Aussagen, wonach Frauen durchaus auch aktiv an sich und ihrer anerzogenen weiblichen Zurückhaltung arbeiten können. Sie schiebe die Verantwortung für strukturelle Missstände, so lautete der Vorwurf, wieder mal auf die Opfer, und fordere Frauen zynisch dazu auf, einfach noch ehrgeiziger und zäher zu werden, um es trotzdem zu schaffen. So zumindest lesen es ihre Kritiker und Kritikerinnen. Doch das greift zu kurz.

Sheryl Sandberg widmet gerade dem Paradox, dass Frauen in einer falschen, ungerechten Welt Strategien entwickeln müssen, um trotzdem ernst genommen zu werden, viel Aufmerksamkeit. In einer besseren Welt, in der Frauen in Führungsetagen keine Seltenheit mehr wären, wäre es ja auch beispielsweise nicht mehr nötig, dass sie mehr lächeln als Männer, um ihren Erfolg zu kompensieren. Und dort dürften alle, Mütter und Väter, um halb sechs nach Hause gehen zu ihren Familien.

Gerade für eine solche Welt setzt sich Sandberg in ihrem Buch mit Verve ein. Sie hat auch eine Webpage gegründet, die Frauen weltweit ermutigt, sich zu vernetzen. "Lean In" ist locker und humorvoll geschrieben, was auch an der Co-Autorin Nell Scovell liegen mag - die Journalistin ist bekannt für ihre Fernseh-Comedy-Skripte. Vor allem aber ist das Buch voller Anekdoten aus Sandbergs eigenem Leben, die allein schon lesenswert sind. Wer allerdings brandneue Erkenntnisse erwartet, wird enttäuscht.

Die rund 250 Seiten bieten nichts Überraschendes, sondern Wissen, das sich in jedem beliebigen Einführungskurs zur Geschlechtersoziologie finden ließe. Was das Buch trotzdem lesenswert macht: Es wurde eben von Sheryl Sandberg geschrieben. Eine Frau, die ganz oben angekommen ist, und trotzdem offen darüber spricht, wie schwer es für Frauen ist, das zu schaffen - und die dabei gleichzeitig nicht aufhört, andere Frauen zu ermutigen.

Besprochen von Catherine Newmark

Sheryl Sandberg: Lean In. Frauen und der Wille zum Erfolg
Aus dem Englischen von Barbara Kunz
Econ Verlag, Berlin 2013
312 Seiten, 19,99 Euro
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