Appell

Kinderhilfswerk fordert Programm gegen Kinderarmut

Von Michael Castritius · 14.01.2014
Es muss auch ohne Bürokratie gehen: Kostenlose Schulessen, Schulbücher sowie Sport- und Bildungsangebote für bedürftige Kinder sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, fordert Thomas Krüger vom Kinderhilfswerk. Dabei hat er laut einer Infratest-Dimap-Umfrage weite Teile der Bevölkerung hinter sich.
Nicht unbedingt zu erwarten war das Eingeständnis, dass es in Deutschland überhaupt Kinderarmut gibt - trotz der Wirtschaftskraft. Noch überraschender: Die meisten Bürger sind bereit, einen persönlichen finanziellen Beitrag zu leisten, um den Kindern zu helfen. Und das, so Uwe Meergans von Infratest-Dimap, obwohl rund um die Bundestagswahl doch so viel über Steuererhöhungen oder Steuersenkungen, über steigende Preise und die unsichere, finanzielle Zukunft diskutiert worden sei.
"In solchen Zeiten sagen immerhin zwei Drittel der Deutschen: Wenn es gelänge, Kinderarmut zu bekämpfen, dann wäre ich bereit, mehr Steuern zu zahlen. Abgesehen von diesen Einkommensfragen sagen drei Viertel der Deutschen: Ja, es gibt Kinderarmut in diesem reichen, wirtschaftsstarken Deutschland, weil sich die Politik diesem Problem, diesem Thema nicht ausreichend widmet. Das ist eine sehr deutliche Aussage, es wird von der Politik viel mehr verlangt."
Verlangt werden vor allem indirekte Zuwendungen, also nicht Bargeld im Portemonnaie über Kindergeld, Hartz IV oder Ähnliches. Als Maßnahmen gegen Kinderarmut fordern 97 Prozent der Befragten, einkommensschwache Familien sollten Lehrmittel kostenlos bekommen, 86 Prozent wollen den betroffenen Kindern das Essen in Kitas und Schulen umsonst geben und 81 Prozent halten es für wichtig, Bildungs-, Kultur- und Sport-Angebote zu unterstützen. Zudem sollten sich mehr Erzieher und Sozialarbeiter in den Schulen um die Kinder kümmern, meinen 94 Prozent der Befragten. Das Bildungs- und Teilhabe-Paket der schwarz-gelben Regierung sei halt eine Mogelpackung geblieben, sagt Holger Hofmann, der Bundesgeschäftsführer des Kinderhilfswerkes.
Warum kann die reiche Republik die gute Infrastruktur für Kinder nicht erhalten?
"Das Bildungspaket ist ein bürokratisches Monster, und man fragt sich natürlich: Warum muss man so ein Monster einsetzen? Also die Bekämpfung der Kinderarmut muss erstmal dort einsetzen, dass die Zugänge, die wir alle kennen für Kinder, nämlich tatsächlich in der Schule, Zugänge zu Vereinen, zu Kulturveranstaltungen, die müssen gesichert werden. Wir haben hier eigentlich eine gute Infrastruktur, die wir aber im letzten Jahrzehnt abgebaut haben. Warum können wir als Bundesrepublik, der es ja nicht so schlecht geht, diese Infrastruktur nicht aufrechterhalten?"
Deshalb schlägt Thomas Krüger, der Präsident des Kinderhilfswerkes, ein nationales Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut vor.
"Das meint, dass man verschiedene Maßnahmen ineinander greifen lässt. Die reichen von den Instrumenten der Kinderförderung, des Kindergeldes und so weiter, bis hin zu sozialem Wohnungsbau und Arbeitsmarktpolitik. Man muss sozusagen das große Ganze in den Blick nehmen. Also Kindergeld und Elterngeld sind eigentlich gute Instrumentarien, aber wenn sie in der Hartz IV-Situation sind, dann greifen die nicht. Ähnlich ist es mit dem Kinderzuschlag. Wir glauben, dass alle diese Instrumente reformiert werden müssen zu einer Kindergrundsicherung, von der jedes Kind profitiert."
Die Unterstützung der Wähler, das geht aus der Umfrage hervor, hätten die Politiker dafür. Zweckgebundene Steuererhöhung befürworten Anhänger aller Parteien: 60 Prozent der Linken, 67 Prozent der Unionswähler, 73 Prozent der Sozialdemokraten und gar 87 Prozent der Grünen.
Das Problem in Deutschland, so ein Fazit des Kinderhilfswerkes, ist es nicht, das nötige Geld aufzutreiben. Entscheidend ist, wie und wo es eingesetzt wird.
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