Appell für Mitgefühl

Bethlehem feiert politische Mitternachtsmesse

Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, bahnt sich in der Westbank den Weg zur Geburtskirche in Bethlehem; Aufnahem vom 24. Dezember 2015
Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, bahnt sich in der Westbank den Weg zur Geburtskirche in Bethlehem; Aufnahem vom 24. Dezember 2015 © picture alliance / dpa
Von Christian Wagner  · 25.12.2015
Palästinenserpräsident Abbas hat teilgenommen. Und die Predigt des Erzbischofs von Jerusalem wurde auf Arabisch verlesen. Darin fragte der Kleriker Fouad Twal angesichts der politischen Situation im Nahen Osten, ob Jesus womöglich umsonst geboren sei.
Hohe Gitter und Stacheldraht, auf dem Platz vor der Geburtskirche in Bethlehem hat Yussef Sharkawi eine Art Mahnmal aufgebaut. In der Mitte ein sehr dicker Stamm eines Olivenbaums.
"Der Baum stand mal in Beit Jala bei Bethlehem, der ist etwa 2500 Jahre alt. Die israelische Armee hat den Olivenhain zerstört und den Baum ausgerissen. Und das hier sind Tränengas-Kartuschen."
Sie wurden auf den Straßen Bethlehems abgefeuert von israelischen Soldaten. Mehr als hundert solcher Kartuschen hat der alte Mann in Form eines Bethlehem-Sterns aufgestellt, in den Aluminium-Kartuschen brennen jetzt Kerzen. Weihnachten in Bethlehem, im von Israel besetzten Westjordanland, ist immer auch politisch.
Präsident Abbas in der Katharinenkirche
Das gilt auch für die Mitternachtsmesse. Sie beginnt erst, als der palästinensische Präsident Abbas Platz genommen hat. Er ist Moslem, aber schon sein Vorgänger Arafat kam in der Christnacht zur Messe in die Katharinenkirche, direkt neben der Geburtsbasilika.
Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, war am Vormittag in die Geburtsstadt Christi eingezogen. Seine Predigt für die Christmette kann er nicht selbst lesen, die Stimme macht nicht mit. Eindrücklich sind seine Worte trotzdem, denn es geht um Barmherzigkeit. Das sei ein politischer Akt schlechthin und fester Bestandteil aller Religionen. Barmherzig seien die Länder, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Andere sollten ihre Furcht vor Flüchtlingen überwinden, so Fouad Twal.
Verlesen wurde die Predigt auf Arabisch. Darin heißt es, gerade im Nahen Osten würden schreckliche Dinge passieren. Menschlichkeit und Werte des Glaubens seien verloren gegangen. Gläubig zu sein sei ein Vorwand zum Morden im Namen Gottes geworden. Dabei müsse doch Gott Ansporn für Barmherzigkeit und Brüderlichkeit sein.
Verbitterter Blick auf den Nahostkonflikt
Fouad Twals deprimierender Schluss: Es gebe so wenig Mitgefühl, dass man denken könnte, die Geburt Jesu und die Weihnachtsbotschaft seien umsonst gewesen.
Verbittert auch der Blick auf die Folgen des Nahostkonflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Der katholische Erzbischof von Jerusalem erklärte, er wolle diejenigen Familien in die Gebete einschließen, deren Häuser zerstört wurden. Israels Regierung bestraft damit die Familien von palästinensischen Attentätern. Foud Twal beklagt außerdem, dass Palästinenser Land verlieren, wenn es in Ostjerusalem oder im Westjordanland enteignet wird. Und er wendet sich an die Opfer von Terrorismus weltweit, sie alle seien Brüder und Schwestern.
Im Anschluss an die Mitternachtsmesse legt der Erzbischof eine Figur des Christuskinds in die Grotte der Geburtskirche – dort stand nach christlichem Glauben die Krippe, in die Jesus nach seiner Geburt gelegt wurde.
Katholiken und Protestanten feiern in Bethlehem Weihnachten – der palästinensischen Stadt im besetzten Westjordanland stehen jetzt noch zwei weitere Weihnachtsfeiern bevor: Die griechisch-orthodoxen Christen feiern am 6. Januar, und noch später liegt das Weihnachtsfest der armenischen Kirche. Bethlehem feiert also dreimal. Und das Mahnmal gegen die israelische Besatzung mit dem entwurzelten Olivenbaum soll während der ganzen Zeit auf dem Krippenplatz stehen bleiben.
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