App-Streit und Co

Von Vera Linß · 19.09.2011
"Kleine Welt – große Player: Wer bestimmt die Regeln?" lautet in diesem Jahr das Motto der Jahreskonferenz des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Die Kernfrage: Wie kann die Qualitätspresse im Internet überleben?
Die Zahlen sind beeindruckend: Rund zwanzig Millionen Deutsche nutzen Internet-Plattformen von Zeitungen. Und diese gibt es reichlich. 660 redaktionelle Angebote stehen im Netz. Für Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-AG, steht der digitale Durchbruch der Printbranche trotzdem erst noch bevor. Für ihn ist klar: Die Zukunft der Zeitung ist mobil – auch wenn es dabei noch einige Hindernisse zu überwinden gibt.

"Wir haben zwei gemeinsame Ziele, ich will das noch mal ganz deutlich sagen. Die Etablierung eines Geschäftsmodells im mobilen Internet und zweitens die absolute Bekämpfung der Versuche, das durch Wettbewerbsverzerrung, durch Öffentlich-Rechtliche zu unterlaufen. Denn natürlich ist ein presseähnliches Produkt wie die Tagesschau-App absolut verboten und das ist das, was wir im ersten Schritt erst mal juristisch klarstellen müssen. Aber dann müssen wir darüber hinaus denken und brauchen ein größeres Konzept, eine langfristige Architektur."

... um die es aber erst mal nicht gehen sollte. Thema stattdessen: die Bedrohung der Zeitung durch die Konkurrenz.

Stichwort: Tagesschau-App. 2,3 Millionen Menschen nutzen die Applikation, um Inhalte von tagesschau.de auf dem iPhone oder iPad zu konsumieren – unter anderem auch Texte. Das verstoße gegen den Rundfunkstaatsvertrag, so die Verleger heute erneut. Ihrer Forderung, die App kostenpflichtig zu machen, mochte NDR-Intendant Lutz Marmor dennoch nicht folgen.

"Erst mal ist auch unsere App nicht wirklich kostenlos, sondern die Leute zahlen ja Gebühren. Die haben einmal für die Inhalte, die wir dort aufbereiten, bereits gezahlt. Und da ja diese App keinerlei Mehrwert an Inhalten enthält gegenüber dem, was wir ganz normal im Netz stehen haben, ist es auch nicht gerechtfertigt, da noch mal abzukassieren, denn das Erstellen einer App ist ein Einmalaufwand technischer Art und dann zahlen wir die Verbreitungskosten."

Dennoch werde man, so Marmor, den Anteil an Audio- und Videoinhalten erhöhen, was zwar den Wünschen der Verleger näher kommt, aber ihnen nicht reicht. Am 11. Oktober wird der Prozess gegen die Tagesschau-App beginnen.

Statt der Justiz ist in anderer Hinsicht die Politik gefordert. Stichwort: Leistungsschutzrecht. Um sicher zu gehen, dass Dritte im Netz nicht mit den kostenlos eingestellten Inhalten der Verlage Geld verdienen, soll ein Gesetz die Nutzung dieser Inhalte kostenpflichtig machen. Dies beträfe Player wie Google, aber auch andere Webseitenbetreiber. Für Mathias Döpfner hat das Ringen um das Leistungsschutzrecht Priorität, um faire Marktbedingungen herzustellen.

"In dem Moment, wo es ein faires Vergütungsmodell ist, ist es ja kein Diebstahl mehr, sondern dann ist es ein faires Geschäftsmodell. Nur ich glaube langfristig werden reine Piratenmodelle, auch wenn gestern die Piratenpartei in Berlin neun Prozent erreicht hat, werden nicht funktionieren. Und dass es natürlich diese Fälle des Missbrauchs von marktbeherrschenden Stellungen gibt bei Google, das ist ja jetzt auch Gegenstand von Kartellverfahren und ich glaube es ist wichtig, dass wir das als hohe Priorität für uns sehen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte den Verlegern dabei ihre Unterstützung zu, trotz der Kritik, die gerade aus der Netzgemeinde und von vielen Urheberrechtlern gegen diese Idee kommt. Man habe das Leistungsschutzrecht, das Teil des Koalitionsvertrages ist, nicht vergessen, so Merkel.

Auch im Streit um die Tagesschau-App stärkte die Kanzlerin den Verlegern den Rücken. Es müsse fair zugehen, man brauche ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Öffentlichen-Rechtlichen und der Presse. Gefragt seien allerdings auch innovative Verleger, mahnte Angela Merkel mit Blick auf die schwindende Qualität manch eines Blattes.

"Wenn dagegen das Niveau einer Zeitung abnimmt, weil sie sich in einen Schnelligkeitswettbewerb mit digitalen Medien begibt, den sie nur verlieren kann, dann gibt es am Ende zwei Verlierer. Erstens den Leser und zweitens die Zeitung selbst. In einem solchen Schnelligkeitswettbewerb würde sich die Zeitung selbst infrage stellen. Qualität ist zwar keine allein hinreichende, aber ich denke eine notwendige Bedingung für dauerhaften Erfolg einer Zeitung."

Wie das Qualitätsprodukt Zeitung inhaltlich und formal ausgestaltet werden kann, um das digitale Zeitalter zu überleben, diese Frage musste am heutigen ersten BDZV-Kongresstag zurückstehen. Wie so oft in der Vergangenheit bei Debatten über die Zukunft von Print. Stattdessen wurde – wie gewohnt – der Kampf um die Hoheit im Internet ausgefochten.

Immerhin: Einen kleinen fachlichen Ratschlag ließ sich Springer-Vorstand Mathias Döpfner dann doch entlocken. Kopf hoch und nach vorn schauen, appellierte er an seine Verlegerkollegen, denn schließlich dürfe es nicht sein,

" ... dass es nicht sein darf, dass diese Wahrnehmung zu so ner Psychologie des resignativen sich Zurücklehnens führt. Es ist nicht so, dass wir Verleger nichts tun können, um uns in diesem Wettbewerb zu behaupten. Jeder regionale Verlag kann in seiner Region eine riesige Rolle spielen mit seinem Geschäftsmodell, wenn er sich dem aktiv stellt. Auf keinen Fall diese Haltung: Gegen diese Giganten können wir nichts tun. Das wäre wirklich Selbstmord aus Angst vorm Sterben."
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