Anziehende Elektronik

Von Michael Engel · 18.07.2013
Elektronik aus dem Kleiderschrank: Feuerwehrmänner tragen schon Handschuhe mit digitalen Daten. Computer in Form von Brillen, Gürtel oder Schnallen erobern den Massenmarkt. Wohin führt die ganze Entwicklung mit den anziehbaren Computern?
Im internationalen Fachjargon firmieren sie unter "wearable computer", was hier zu Lande gerne als "tragbare Computer" übersetzt wird. Doch "tragbar" sind Tablets, Smartphones oder GPS-Geräte auch. Mit "wearable" ist vielmehr der "anziehbare" Rechner gemeint – Elektronik quasi aus dem Kleiderschrank. Brillen, Gürtel oder Schnallen gibt es schon – sie erobern gerade den Massenmarkt. Auch Profis – bei der Feuerwehr zum Beispiel tragen schon "wearables" in Form von Daten-Handschuhen, Helme und Schuhwerk.

Schrittzähler, Pulsmesser auch mit Kalorien-Anzeige: Sogenannte "Aktivitätstracker" sind der Renner in der sportlich aktiven Szene. In einigen Unternehmen haben die elektronischen Accessoires sogar ein ganz neues Betriebsklima geschaffen, weiß Jan-Keno Janssen aus dem Heise-Verlag.

Jan-Keno Janssen: "Ich seh‘ das hier bei Kollegen, dass sich inzwischen wirklich viele so ein kleines Ding gekauft haben, weil es einfach sehr motivierend ist, dass man sagt, ich nehme mir jetzt mal vor, jeden Tag 10.000 Schritte zurückzulegen, und es ist tatsächlich motivierend, und man kann natürlich auch gegen seine Kollegen dann antreten. Das heißt, man hat da so eine kleine Rangliste, und ich meine Bewegung, wissen wir alle, ist gesund."

"Wearable Computers" - es gibt sie auch in Form von sogenannten "Smart-Watches". Das Gehäuse hat allerdings häufig die Dimension einer Streichholzschachtel und wirkt wie ein Klotz am Handgelenk. Mit dem Wort "Uhr" ist das Gerät nur vage umschrieben. Man kann mit einer SmartWatch telefonieren, navigieren und Apps aufspielen. Das "Zifferblatt" ist ein Monitor, der bei Bedarf aber auch die Zeit elektronisch anzeigt. Jan-Keno Janssen von c’t hat es besonders die SmartWatch von Pebble angetan.

"… um die Pebble ist so ein kleiner Hype entbrannt. Das ist so ein kleines amerikanisches Start-up-Unternehmen. Und das ist bislang die Uhr, die das größte Potential hat, um wirklich ein Massenprodukt zu werden. Es gibt unheimlich viele Zifferblätter dafür, es gibt viele Apps dafür, und es ist auch die – das ist natürlich Geschmacksache – die einigermaßen vernünftig aussieht."

Noch wirken alle Smartwatches ziemlich monströs am Handgelenk. Werden sie im Zuge der Miniaturisierung kleiner, wird sich ein anderes Problem verschärfen: Die Webseiten auf dem winzigen Monitor wären dann wohl kaum noch lesbar. Datenbrillen – drahtlos mit der Uhr am Handgelenk verbunden – könnten Abhilfe schaffen.

Auch sie zählen zu den "Wearables", den tragbaren Computern, die man wie selbstverständlich immer am Körper trägt. Noch nicht zu kaufen, doch schon legendär, ist das "Google Glas" – eine sogenannte "Datenbrille" mit einem Daumennagel großen Monitor rechts oben am Gestell. Direkt vor dem Auge positioniert, wirkt das Ganze wie ein zwei Meter großer Bildschirm.

"Dieses Google Glass ist relativ leicht, also der Tragekomfort ist auch sehr, sehr hoch. Also ich bin erstaunt gewesen, als ich das das erste Mal aufgesetzt habe, wie leicht das war, auch wie gut ausbalanciert das Ganze war …"

… staunt Professor Michael Lawo von der Universität Bremen, der einen Prototypen der Datenbrille schon mal auf der Nase hatte:

"Aber natürlich, das sind keine neun Gramm. Aber auch wie man sich an eine Brille gewöhnen kann, also auch an schwere Gestelle gewöhnen kann, wird man sich auch daran gewöhnen, und wenn das hip ist, nimmt man ja alles Mögliche in Kauf."

Die Brille kann Fotos machen, Videos aufzeichnen und beides natürlich auch zeigen. Außerdem ist sie mit dem Smartphone drahtlos verbunden. WhatsApp, Internet, Facebook gelangen so auf den Monitor der Datenbrille – im Großformat. Elektronische Brillen haben das Zeug zum "Modehit" und werden wohl noch viel Furore machen, vermuten Insider. Doch der eigentliche Motor für die Entwicklung tragbarer Computer ist der berufliche Bereich, meint Prof. Michael Lawo in Bremen und zieht einen dicken Handschuh an.

"Ja, ich habe jetzt einen Feuerwehrhandschuh an, der in der Lage ist, Temperaturen zu spüren und mir über Vibration mitzuteilen, wie hoch die Temperatur ist eines Gegenstandes, den ich mit meinem Handschuh berühre. Sodass ich zum Beispiel entscheiden kann, ob ich eine Tür öffne oder nicht. Darüber hinaus verfügt der Handschuh über Beschleunigungssensoren, mit denen Gesten erkannt werden können, so dass man diesen Handschuh auch benutzen kann für eine Kommunikation mit dem Einsatzleiter."

Die Sensoren im Handschuh erzeugen Informationen, wenn die Hand bewegt wird. Heftiges Winken zum Beispiel bedeutet "Gebäude räumen". Diese Einschätzung des Feuerwehrmanns im brennenden Gebäude erscheint nun - drahtlos übertragen – als Text auf dem Monitor der Einsatzleitung.

"Also das Besondere daran ist, dass es für mich so eine Art "nächste Stufe" ist. Der PC hat die Arbeit im Büro verändert. Und der wearable Computer wird die Arbeit im industriellen Umfeld – die Arbeit, die heute noch nicht computerisiert ist – wird der wearable Computer verändern."

Auch wenn es noch ein paar technische Probleme zu lösen gilt, wie zum Beispiel die Elektronik gegen Wasser unempfindlich zu machen, sieht man schon jetzt: Mensch und Maschine – mit den Wearables rücken beide noch näher zusammen.
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