Anwältin: Mangelnde Glaubwürdigkeit ist kein Beweis für Falschaussage

Theda Giencke im Gespräch mit Dieter Kassel · 01.07.2011
Die Berliner Rechtsanwältin Theda Giencke warnt davor, in der mangelnden Glaubwürdigkeit eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers den Beweis für eine Falschaussage zu sehen.
Dieser Rückschluss werde oft gezogen, sagt Giencke. Es müsse jedoch zwischen Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit unterschieden werden: Die Glaubwürdigkeit beziehe sich auf den Charakter einer Person und ihre Neigung zur Wahrheitsliebe oder zum Lügen – bei der Glaubhaftigkeit dagegen gehe es um die Frage, wie gut einer bestimmten Aussage gefolgt werden könne. "Man kann nicht – so wie es das Sprichwort ja eigentlich sagt 'Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht' – von der Glaubwürdigkeit auf die konkrete Aussage zu einem bestimmten Kontext schließen."

Bewusste Falschaussagen ließen sich nicht ausschließen, so Giencke. Ihre Erfahrung sei jedoch, dass den Frauen oft sehr bewusst sei, dass ein sehr schwieriges Verfahren mit vielen intimen Fragen und einer Durchleuchtung ihrer Vergangenheit auf sie zukomme. "Das wird sich eine Zeugin gut überlegen, ob sie eine Anzeige erstattet wird."

Sie habe sogar schon Fälle gehabt, in denen sie Zeuginnen von einer Anzeige abgeraten habe – obwohl sie von der Wahrheit des Vergewaltigungsvorwurfs überzeugt gewesen sei. Es komme darauf an, "ob die Frau das Verfahren überhaupt durchsteht, ob sie belastbar genug ist, die Fragen und die doch oft sehr lange Dauer, die so ein Verfahren einnimmt, durchzuhalten." Gleichzeitig sei die Beweislage oft sehr dünn. So werde ein Sexualkontakt von den Beschuldigten oft gar nicht bestritten. Bestritten werde jedoch, "dass er gegen den Willen der Zeugin stattgefunden hat – und das kann man mit DNA-Spuren nicht belegen."

Sie können das vollständige Gespräch mit Theda Giencke mindestens bis zum 1.12.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.