Antisemitismusvorwurf gegen Böhmermann

"Zeit"-Journalist Soboczynski: Es kommt auf den Kontext an

Der Moderator Jan Böhmermann
Der Moderator Jan Böhmermann © imago
Adam Soboczynski im Gespräch mit Julius Stucke · 31.10.2018
Nach einem Auftritt des jüdischen Komikers Oliver Polak desinfizierte sich Jan Böhmermann die Hände. War das antisemitisch? Der "Zeit"-Journalist Adam Soboczynski sagt: Das werde heute anders beurteilt als noch vor wenigen Jahren. Woran liegt das?
In seinem kürzlich erschienenen Buch "Gegen Judenhass" schreibt Polak über Böhmermann: "Sein Gag war keiner, denn er hatte keine Pointe. Er bildete lediglich den Antisemitismus des Dritten Reiches ab."
Oliver Polak sitzt im Jogginganzug auf einem Sofa und gestikuliert.
Der Komiker Oliver Polak nennt in seinem Buch "Gegen Judenhass" Jan Böhmermann nicht mit Namen. Doch es wurde schnell klar, wen er meinte.© David Kohlruss

Satire in einer anarchischen Sendung

Adam Soboczynski ordnet die in seiner Erinnerung sieben oder acht Jahre zurückliegende Szene so ein: Die Sendung sei anarchisch gewesen, voller Fäkalausdrücke, jede Minderheit sei von der Bühne gescheucht worden. Böhmermanns Händedesinfektion könne man antisemitisch deuten. Aber: "Es steht natürlich in einem bestimmten Kontext." Es sei darum gegangen, so etwas wie Antisemitismus und Diskriminierung von Minderheiten vorzuführen.
Adam Soboczynski im Porträt
Adam Soboczynski leitet gemeinsam mit Iris Radisch das Feuilleton der Wochenzeitung "Die Zeit". © picture alliance/dpa/Foto: Jens Kalaene

Harald Schmidt machte Polenwitze

Auch Harald Schmidt habe in dieser Zeit "einen nach dem anderen Polenwitz abgefeuert". Das sei krisiert worden, doch niemand habe das als wirklich dramatisch wahrgenommen: "Das hat sich einfach verändert, unsere Wahrnehmung." Die Gesellschaft sei mittlerweile stärker sensibilisiert: "Die Sensibilisierung kommt auch daher, ganz banal, dass wir einfach mit vielen sehr unangenehmen rechten Parteien nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten westlichen Welt konfrontiert sind und um uns herum. Dadurch wittern wir natürlich überall, dass das auch sehr leicht instrumentalisiert werden kann oder zum normalen Sprachgebrauch werden kann."
Grundsätzlich funktioniere Satire nie gänzlich, ohne dass man für einen Moment getroffen werde, so Soboczynski: "Aber sobald man den Kontext versteht und genau weiß, es geht um diesen anarchischen Übertritt, finde ich, kann man das akzeptieren." (bth)

Die gesamte Sendung mit Adam Soboczynski hören Sie hier:
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