Antisemitismus-Demo

Sorgen um die Situation der Juden in Europa

Teilnehmer der Kundgebung "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" des Zentralrats der Juden in Deutschland stehen am 14.09.2014 vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Teilnehmer der Kundgebung "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" in Berlin © picture alliance / dpa / Maja Hitij
Von Susanne Arlt · 15.09.2014
6000 Menschen kamen gestern zur Demonstration gegen Antisemitismus in Deutschland vor das Brandenburger Tor. Auch der Jüdische Weltkongress, der zurzeit in Berlin tagt, sorgt sich und fordert konsequentere Schutzmaßnahmen.
Etwa 6000 Menschen waren zu der Kundgebung vor das Brandenburger Tor gekommen. Sie trugen Transparente auf denen geschrieben stand "Nie wieder Judenhass" oder das Wort "Frieden" –auf Deutsch, Hebräisch und Arabisch. Manche von ihnen schwenkten die israelische Flagge, so wie zum Beispiel Karin Weiß:
"Ich möchte einfach für Israel einstehen und möchte einfach da ein Zeichen setzen, dass jeder Mensch wichtig ist, jeder Mensch ist zu achten und irgendwie in Frieden wünscht man, dass er leben darf."
Der grauhaarige Herr neben ihr sah das genauso. Auch er war zu der Kundgebung gekommen, um den jüdischen Mitbürgern in Deutschland seine Solidarität zu zeigen:
"Weil ich es unerträglich finde, was in den letzten Wochen und Monaten so vorgegangen ist, nämlich dass der Antisemitismus offensichtlich ziemlich hoffähig wieder geworden ist in Deutschland, dass nämlich viele Leute in meinem Bekanntenkreis über Israelkritik ziemlich schnell bei den Juden sind. Und das geht gar nicht."
Solidarität mit jüdischen Mitbürgern
Das geht gar nicht. Diese klare Haltung kam vielen Juden in Deutschland zu spät, als mit Beginn des Gaza-Konflikts auf pro-palästinensischen Demonstrationen wiederholt zu Gewalt gegen Juden und Israelis aufgerufen wurde. In Städten wie Berlin, Frankfurt am Main oder Essen waren Parolen zu hören wie "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" oder "Kindermörder Israel".
In seiner Rede sprach Dieter Graumann von einer anfangs zögerlichen Reaktion auf diese Parolen. Er hätte sich in diesen Wochen mehr Empathie von der Gesellschaft gewünscht, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland:
"Warum müssen wir selbst das eigentlich anstoßen? Wenn wir aber nicht selbst für uns sind, wer ist dann eigentlich noch von selbst für uns?"
Zumindest auf der gestrigen Kundgebung wollte niemand Zweifel aufkommen lassen, dass man diese antisemitischen Parolen niemals dulden werde. Weder die Teilnehmer noch die zahlreiche Politiker, die gekommen waren. Und Bundeskanzlerin Merkel stellte klar, das jüdische Leben gehöre zu Deutschland, es sei Teil der Identität:
"Wer Menschen, die eine Kippa oder eine Kette mit einem Davidstern tragen, anpöbelt, angreift oder krankenhausreif schlägt, der schlägt und verletzt uns alle."
150 Funktionäre tagen in Berlin
Das Thema Antisemitismus ist auch eines der Hauptthemen des Jüdischen Weltkongresses, dessen Leitungsrat zum ersten Mal in Berlin tagt. 150 Funktionäre aus aller Welt wollen noch bis Dienstag über die Lage in Israel sprechen und vor allem über die Situation der Juden in Europa, sagte Ariel Muzicant, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses.
Die größte antisemitische Bedrohung geht in seinen Augen von islamistischen Terrorgruppen aus. Muzicant verwies auf die tödlichen Anschläge auf das Jüdische Museum in Brüssel und die jüdische Schule in Toulouse. Beide Attentäter stammten aus dem Kreis islamistischer Terrorgruppen.
Ariel Muzicant: "Wir sagen, ein Neonazi, der den Holocaust leugnet, bedroht die europäische Werte viel weniger als ein Islamist, der eigentlich ein Kalifat errichten will und die Scharia einführen will und unsere ganzen schwer erworbenen Menschenrechte und alles wofür wir so viele Jahrzehnte und Jahrhunderte gekämpft haben,vernichten will."
Seit Jahrenwürde der Jüdische Weltkongress darum Verbotsgesetze auch für Islamisten fordern. Man müsse diese Extremisten viel stärker verfolgen, sie bestrafen und ihnen beispielsweise die Staatsbürgerschaft entziehen. Viele europäische Regierungen würden nicht verstehen, dass man sich auch hier längst in einem Krieg befände.
Ariel Muzicant: "Weil man Angst hat, politisch unkorrekt zu sein. Weil man nicht unterscheiden will zwischen Moslems, die in Europa mittlerweile hier ruhig und innerhalb der Gesetze sich integrieren wollen. Und es dann eine Randschicht gibt von Extremisten, die sich Moslems nennen, aber im Grunde genommen einer barbarischen und verrückten Ideologie nachhängen. Die Europäer sind wieder einmal zu lax und zu bequem und auch zum Teil zu vorsichtig, um hier aller Härte gegen diese Gruppen auch in Europa vorzugehen."
Es gehe in diesem Konflikt nicht nur um die Juden, betonte der Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses Muzicant. Es gehe auch um den Frieden in Europa.
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