Antioxidantien - Die Haltbarkeitsverlängerer

Von Udo Pollmer · 04.10.2009
Auf dem diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Lebensmittelchemiker in Berlin standen die Antioxidantien im Zentrum der Diskussion.
Wozu sind die gut?
Antioxidantien werden Kunststoffen und Lebensmitteln zur Verlängerung der Haltbarkeit zugesetzt. Es gibt drei verschiedene Arten des Verderbs: Erstens durch mikrobielle Erreger wie Schimmelpilze. Dagegen helfen Konservierungsmittel oder eine Hitzebehandlung. Das Zweite ist der enzymatische Verderb, also durch lebensmitteleigene Enzyme. Das ist der Grund, warum Tiefgefrorenes nicht ewig hält, denn die Enzyme arbeiten auch in der Kälte – wenn auch etwas langsamer. Deshalb wird Tiefkühlgemüse vor dem Gefrieren mit heißem Wasser blanchiert. Und die dritte Art des Verderbs ist der chemische Verderb. Wenn zum Beispiel Licht, also vorzugsweise UV-Strahlung auf Öle trifft, dann werden die ranzig. Und dagegen werden seit Langem Antioxidantien eingesetzt.

Nun enthalten ja gerade Obst und Gemüse besonders viele wertvolle Antioxidantien. Die sollen uns nicht nur vor Krebs, Herzinfarkt und Alzheimer schützen, sondern auch das Älterwerden verhindern.
Die Presseaussendung der Lebensmittelchemischen Gesellschaft hat es ganz diplomatisch formuliert. Sie spricht bei Obst und Gemüse nicht von den wichtigsten Lieferanten von Antioxidantien, sondern ganz bewusst von den "meistgenannten Quellen" – Antioxidantien sind natürlich überall vorhanden: im Schinken genauso wie in Pralinen oder Pommes. In Hinblick auf Obst und Gemüse betont die Fachgesellschaft, dass die "Forschungsergebnisse kaum eine Auswirkung ... auf das Auftreten der erwähnten Krankheiten belegen". Auf Hochdeutsch: Außer Spesen nix gewesen.

Und wo wäre am meisten Antioxidatives drin?
In Schokolade! Und die potentesten, die stärksten, die effektivsten Antioxidantien sind in Knabberzeug, Kaugummi, Fertigsuppen und Nusspralinen. Würden die Theorien stimmen, die über die wunderbaren Wirkungen von antioxidativen Stoffen im Gemüse erzählt werden, dann müssten unsere Ernährungsberater vor allem Pausenriegel empfehlen.

Nun wollen die Chemiker diese Stoffe genauer erforschen. Was versprechen die sich davon?
Man hofft darauf, auch in Kressesprossen oder Brotkrusten Substanzen zu finden, die man später als Antioxidantien synthetisieren kann, um sie dann beispielsweise Hautcremes, Autoreifen oder Kinderspielzeug zuzusetzen. Aber wenn Sie heute Forschungsgelder brauchen, ist es vorteilhaft das Wort "Gesundheit" in den Antrag zu schreiben. Zudem sind die Reaktionen von Antioxdiantien in Lebensmitteln bis heute nicht hinreichend geklärt. Es ist kaum möglich vorherzusagen, welches Antioxidans in welcher Speise tatsächlich wirkt – mitunter verderben die Produkte mit einem Zusatz noch schneller als ohne. Insofern brauchen sich die Mediziner ob ihrer bösen Misserfolge mit antioxidativen Vitaminen nicht zu schämen, das Thema ist auch für Chemiker nicht ganz einfach.

Wieso können Produkte mit Antioxidantien schneller verderben?
Weil die Wirkung schon bei kleinen Anwendungsfehlern ins Gegenteil umschlagen kann. Nimmt man eine Prise zuviel, dann wird manchmal die Bildung sogenannter Radikale beschleunigt und damit der Verderb. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass keinerlei Metallspuren im Produkt sind. Insbesondere Eisen beschleunigt in Anwesenheit von Antioxidantien den Verderb. Deshalb war es den Chemikern immer ein Rätsel, warum die Mediziner die Gehalte an antioxidativen Vitaminen im Blut erhöhen wollten. Im Blut ist jede Menge Eisen, das konnte nicht gut gehen.

Gibt’s auch gesundheitliche Vorteile durch Antioxidantien?
Ja, die gibt es. Denken Sie nur an Antibiotika wie Tetracycline, an Penicillin G oder Streptomycin. Das sind zugleich auch Antioxidantien. Nichts anderes gilt für Barbiturate, die zur Behandlung von Epilepsie dienen oder Medikamente gegen Parkinson. Auch unter den Pestiziden finden sich Antioxidantien – niemand käme auf die Idee zu behaupten, dass Rückstände, die Greenpeace auf Importpaprika findet, womöglich wertvolle Schutzstoffe vor Herzinfarkt oder Krebs sind. Halten wir fest: Ob ein Stoff antioxidativ wirkt oder nicht, heißt in gesundheitlicher Sicht erst mal rein gar nichts. Kaugummis sind ob ihrer starken Antioxidantien nicht gesünder als Rotkohl und Rotkohl ist wegen seiner Antioxidantien nicht gesünder als Schinken.

Literatur:
Wissenschaftlicher Pressedienst Chemie Nr. 35/09 der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Frankfurt, 8. Sept. 2009: Antioxidantien – wirken sie wirklich?
Pollmer U., Warmuth S.: Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. Piper München 2009
Herbert V. et al: Vitamin C-driven free radical generation from iron. Journal of Nutrition 1996; 126: 1213S-1220S
Vinson JA et al: Phenol antioxidant quantity and quality in foods: cocoa, dark chocolate, and milk chocolate. Journal of Agricultural and Food Chemistry 1999; 47: 4821-4824
Bjelakovic G. et al: Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention. JAMA 2007; 297: 842-857