Antilopen Gang: "Adrenochrom"

"Verzweifeln, wahnsinnig werden oder einfach darüber lachen"

11:06 Minuten
Die drei Mitglieder der Antilopen Gang stehen nebeneinander.
Die Antilopen Gang hat mit "Adrenochrom" bereits ihr zweites Album in diesem Jahr veröffentlicht. Der Titel zeigt, dass Verschwörungsmythen eine große Rolle spielen. © Katja Ruge
Koljah im Gespräch mit Oliver Schwesig · 01.09.2020
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Zwei Alben in sechs Monaten: Die Antilopen Gang hat den Lockdown genutzt und mit "Adrenochrom" eine komplette neue Platte produziert. Sie widmet sich dem Zeitgeist mit Coronademos und Verschwörungstheorien - gewohnt humorvoll, aber auch mit neuen Tönen.
Die Antilopen Gang gehört zum Witzigsten, was der deutsche Rap in den vergangenen Jahren so hervorgebracht hat. Die Raps dieses Trio sind geprägt von rasant schnellen, humorvollen, vor allem aber klugen Texten. Das finden sogar Punkmusiker gut – Die Toten Hosen hatten die Antilopen Gang einst entdeckt und auf ihrem Label unter Vertrag genommen.
In einer Hauruck-Aktion hat die Antilopen Gang jetzt ohne Ankündigung ein neues Album veröffentlicht – bereits das zweite dieses Jahr. "Adrenochrom" ist im Lockdown entstanden und widmet sich im typischen Antilopen-Humor den Themen dieses verrückten Jahres.

Xavier Naidoo bricht wegen Adrenochrom in Tränen aus

Der Titel des Albums sei ein Begriff, an dem man zu Beginn der Coronakrise im Internet schwer vorbeigekommen sei, sagt Bandmitglied Koljah, mit bürgerlichem Namen Kolja Podkowik. Es habe dieses berühmte Video gegeben, in dem der Musiker Xavier Naidoo in Tränen ausgebrochen sei wegen Adrenochrom. Und zwar wegen der Verschwörungstheorie, irgendwelche Eliten würden Kinder foltern, um ihnen Adrenochrom abzuzapfen und es dann als Verjüngungsmittel zu nutzen, so Koljah. Auch wenn der Stoff Teil eines Verschwörungsmythos geworden ist: Adrenochrom gibt es tatsächlich. Es entsteht unter anderem im menschlichen Körper im Zusammenhang mit Adrenalin.
Es sei ihnen aufgefallen, dass das Wort Adrenochrom griffig ist - und, wie alle ihre Alben, mit "A" beginne. Da es auf "Adrenochrom" auch Anspielungen zu Verschwörungstheorien rund um den Coronavirus gebe, habe die Band den Eindruck gehabt, dass sie das Album so nennen müsse, erklärt Koljah.
Gerade was Verschwörungstheorien angeht, könne sich die Antilopen Gang derzeit in Sachen Inspiration nicht beklagen. "Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht zu sehr irgendwie tiefhängende Früchte pflücken." Er hoffe, dass sie das hinbekommen hätten auf dem neuen Album, dass es nicht zu naheliegend sei, was sie da machen. "Denn teilweise sind die Sachen so obskur, da muss man gar nichts mehr zu sagen, weil die sich schon von ganz alleine lächerlich machen."
Dabei sei der Humor der Band auf eine Art auch eine ernste Sache. Er habe manchmal das Gefühl, gar nicht anders als mit Humor auf Zustände reagieren zu können, die so wahnsinnig und so absurd seien, sagt Koljah. "Oft ist alles, was mir einfällt, entweder verzweifeln, wahnsinnig werden oder einfach darüber lachen."

Abwechslungsreiche Platte aus dem Lockdown

"Adrenochrom" ist komplett im Lockdown entstanden, der wegen des Coronavirus verhängt wurde. Zuerst habe jeder für sich Texte geschrieben, die sie dann hin und her geschickt hätten, so Koljah. Erst gegen Ende der Produktionsphase hätten sie gewagt, sich persönlich zu treffen, um das Album fertig zu machen.
Zwischen den Songs finden sich auch immer wieder Hassbotschaften, die an die Antilopen Gang geschickt wurden. Darunter auch eine Drohung, die Band mit dem Messer abzustechen – Auslöser war ein Lied gegen Kiffer auf der letzten Platte. "In dem Falle hat uns das in erster Linie belustigt, dass da wirklich ein Kiffer uns mit dem Mord bedroht, weil wir gesagt haben, dass wir kiffen nicht cool finden. Das ist natürlich eine unfreiwillige Komik, die musste auf dem Album landen."
Auch stilistisch bewegt die Antilopen Gang sich auf dem Album in eher ungewohnte Richtungen. Einerseits gebe es modernere Sachen, erklärt Koljah. Aber andererseits auch Songs, die schon fast in eine 90er-Jahre-Richtung gingen, wie zum Beispiel "Pack it Up".
Koljah betont aber, dass er seine Band dennoch nicht als Nostalgiker beschreiben würde und sie trotz solcher romantischen Ausflüge in die Vergangenheit im Hier und Jetzt seien.
(hte)
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