Antidiskriminierungsklausel am Parkaue-Theater

Dazulernen beim Thema Rassismus

10:24 Minuten
Beleuchtete Fassade und der rote Schriftzug des Theaters an der Parkaue
Das Theater an der Parkaue in Berlin: Florian Stiehler, kommissarischer Intendant, plädiert für eine "fehlerfreundliche Organisationskultur". © imago images / Martin Müller
Florian Stiehler im Gespräch mit André Mumot · 11.07.2020
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Das Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue machte 2018 Schlagzeilen: Eine Schauspielerin fühlte sich als Zielscheibe von Rassismus. Heute gibt es eine Antidiskriminierungsklausel. Die Stimmung im Haus habe sich verbessert, sagt Intendant Florian Stiehler.
Rassismus hinter den Kulissen ist an den Theatern kein Tabuthema mehr. Das Berliner Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue geht das Problem direkt an - mit einer Antidiskriminierungsklausel, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt.
Grund dafür ist ein unrühmlicher Vorfall am eigenen Haus. Die Schauspielerin Maya Alban-Zapata verließ das Theater an der Parkaue 2018, nachdem sie bei den Proben von ihren Kollegen mehrfach rassistisch angegangen worden war.
2019 verließen der damalige Schauspieldirektor und der damalige Intendant (nach eigenen Angaben aus persönlichen Gründen) das Haus.*

Antidiskriminierungsklausel eingeführt

Jetzt ist Florian Stiehler kommissarischer Intendant. Er sagt, die Antidiskriminierungsklausel, die nun im Theater an der Parkaue in Kraft ist, sei "keine Bestrafungsklausel", sondern ein Mittel, das "Wege aufzeigt, wenn es zu Diskriminierungen kommt." Sie richte sich direkt an diejenigen, die Diskriminierungen erfahren.
"In dieser Klausel", erklärt Florian Stiehler, "sind bestimmte Optionen, die ich ziehen kann – und die kann ich sehr unaufwändig ziehen. Es gibt keinerlei Beweislast, sondern wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er einfach sagen: Ich möchte gern Option 1, 2 oder 3."
Möglich seien dann Workshops, Mediationen oder andere Empowerment-Maßnahmen. "Und es definiert, dass die Theaterleitung innerhalb eines bestimmten Zeitraums tätig werden muss. Es geht sogar soweit, dass, wenn die Theaterleitung nicht tätig wird, die diskriminierte Person von ihrem Vertrag mit dem Haus zurücktreten kann."

Grenzen ausloten in der Probensituation

Die Stimmung am Haus habe sich seitdem verbessert, auch wenn natürlich noch Unsicherheiten bestünden. "Im Probenbetrieb kommt man natürlich gerade als Schauspieler*in häufig in emotionale Extremsituationen, das möchte man ja auch. Man möchte ja eine Rolle auch emotional möglichst ausreizen", sagt Florian Stiehler.
Porträt von Florian Stiehler
Florian Stiehler, kommissarischer Intendant des Theaters an der Parkaue, sieht in den Proben einen Balance-Akt, der Grenzen brauche.© Lars Nickel
Trotzdem sieht er gerade hier eine große Herausforderung für die Theater. "Es muss Grenzen geben in so einer Probensituation und die muss man ausloten. Da sind wir auch noch am Anfang. Das muss man einfach in der Praxis testen."

"Fehlerfreundliche Organisationskultur"

Auch auf den in dieser Woche von namhaften internationalen Intellektuellen wie Salman Rushdie, Margaret Atwood, Daniel Kehlmann veröffentlichten offenen Brief, in dem sich die Unterzeichner über eine Cancel Culture beklagen – darüber, dass heutzutage, Menschen zu früh entlassen oder öffentlich angeprangert würden, weil sie sich auf eine nicht angemessene Weise geäußert haben, geht Stiehler ein.
Das Theater an der Parkaue schreibe es sich bewusst auf die Fahnen, eine "fehlerfreundliche Organisationskultur" zu haben: "Es müssen Fehler passieren dürfen", betont Stiehler, "gerade im Kulturbereich muss ich Fehler machen dürfen. Ich will ja nicht irgendetwas Durchschnittliches produzieren, sondern etwas Herausragendes."
Daraus erwachse aber Verantwortung: "Nur muss man dann auch mit diesen Fehlern umgehen, gegebenenfalls diese Fehler eingestehen, sich entschuldigen und Maßnahmen ergreifen, dass so ein Fehler nicht noch einmal passiert."

"Die Mehrheit der Menschen mitnehmen"

In der Diskussion über Rassismus habe er auch erlebt, dass sich sehr verhärtete Fronten bilden. "Auf einer Seite ist dann die Front, die sehr, sehr schnell und radikal Forderungen hat und auf der anderen Seite die Front, die sich überhaupt nicht verändern möchte – und dazwischen sind die Reform- und Transformationswilligen."
Diesen Bereich der Mitte empfinde er als besonders wichtig. "Ich glaube nur daran, dass sich so etwas nachhaltig verändert, wenn es durch gut geführte Veränderungsprozesse passiert, die nicht radikal sind, die nicht zu schnell sind, sondern die möglichst die Mehrheit aller Menschen mitnehmen."
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine inhaltliche Korrektur vorgenommen.
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